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Erstinvestition

 

Autoren:
Kornelius Götz

Da die Frage nach dem Erstinvest stets vor Beginn eines Projektes gestellt wird (genauer: unbedingt gestellt werden sollte!), kann es sich dabei immer nur um eine Schätzung der Kosten handeln. Bei dieser Schätzung geht es nicht darum, die Kosten auf den Cent genau vorherzusagen, sondern um eine „überschlägige Ermittlung der Kosten“; mit anderen Worten: es muss eine Kostenschätzung gemacht werden[1].

1.Vorplanung

Um die Kostenschätzung zu erstellen, muss eine Projekt- und Planungsvorbereitung (die sogenannte Vorplanung) durchgeführt werden. Sie umfasst folgende Stichpunkte:

  • kurze Darstellung der Aufgabe
  • Definition der Beteiligten, siehe Die Beteiligten („stakeholder“)
  • Zustandfeststellung / Schadensanalyse, siehe Erkunden, Dokumentieren, Planen
  • Definition des Ziels oder der Ziele(ggf. Plural), siehe Zielbestimmungen
  • Festlegung der Maßnahmen, die zur Zielerreichung notwendig sind
  • Integration aller Planungsleistungen
  • Vorverhandlung, ob das geplante Projekt genehmigungsfähig ist

Erläuterung der Stichpunkte

Kurze Darstellung der Aufgabe:
Hier sollen Angaben gemacht werden, wer (Auftraggeber) etwas machen will mit welchem Ziel[2] und was für Schäden dabei zu bearbeiten sind; dies führt zur Klärung der Aufgabenstellung.

Definition der Beteiligten:
Hier sollen diejenigen Beteiligten erfasst werden, die direkt Aussagen zu den entstehenden Kosten machen können, also Architekt, Fachplaner, Gutachter und Gestalter. Konkret sind bei der Kostenschätzung für ein typisches Industriedenkmal beteiligt ein Architekt, Statiker, Schadstoffgutachter, Fachplaner (zum Beispiel für Betonsanierung, Restaurierung etc.).

Definition des Ziels (oder der Ziele) und Festlegung der Maßnahmen:
Hier kommt es vor allem auf die Reihenfolge an! Erst wenn das Ziel eindeutig bestimmt wurde, können die entsprechenden Maßnahmen festgelegt werden. Und erst wenn die Maßnahmen feststehen, können die Kosten geschätzt werden.

Integration aller Planungsleistungen:
Bei der Definition der Beteiligten wurde geklärt, dass bei einem Industriedenkmal häufig mehrere Planer ihren jeweiligen Beitrag aus ihrer jeweiligen Fachsicht erbringen. Weil nicht mehrere Planer ohne Absprache nebeneinander her planen sollen, müssen die Einzelbeiträge untereinander abgestimmt und schließlich von einem verantwortlichen Planer – in der Regel ein Architekt – in ein Gesamtwerk integriert werden. Dieser Schritt ist sehr wichtig. Häufig werden hier Differenzen zwischen den einzelnen Fachleuten sichtbar, die letztlich in einem Kompromiss aufgelöst werden müssen, um ein tragfähiges Gesamtkonzept zu erhalten. [3] Wenn die Integration aller einzelnen Planungen abgeschlossen ist, kann alles in einer Kostenschätzung zusammengefasst werden.

Vorverhandlung:
Weil das Industriedenkmal – wie der Name sagt – dem Denkmalschutz unterliegt, müssen alle Maßnahmen im Sinne des Denkmalschutzes genehmigungsfähig sein. Auflagen von Geldgebern – häufig handelt es sich um öffentlich geförderte Maßnahmen – können weitere Vorverhandlungen notwendig machen.


1] Eine Kostenschätzung ist die Ermittlung der Kosten auf der Grundlage der Vorplanung, DIN 276-1:2008.

[2] Dieses Ziel ist nicht zu verwechseln mit Restaurierungsziel, es soll vielmehr eine Aussage zur Nachnutzung treffen.

[3] Zum Bespiel sieht der Statiker vorrangig die Standsicherheit als wichtigste Aufgabe an, der Restaurator die Erhaltung der überlieferten Substanz und der Schadstoffgutachter den Arbeits-. und Gesundheitsschutz.

 

2. Kostenschätzung

Die Kostenschätzung ist auf der Basis der Vorplanung relativ einfach durchzuführen. Sie besteht aus:

  • Maßnahmen (wurden in der Vorplanung festgelegt)
  • Ermittlung eines pauschalierten Gesamtpreises für die jeweilige Maßnahme (zum Beispiel Konservierung von korrodiertem Stahl kostet den Betrag xy Euro netto)Planungskosten, das ist die Summe aller Honorare für die beteiligten Planer
  • Summe aller Maßnahmenkosten und Planungskosten

Erläuterung zum Stichwort Preise: Anders als im herkömmlichen Baugewerbe gibt es für die Konservierung, Restaurierung und Sanierung von Industriedenkmalen kein „Baupreislexikon“, in dem die entsprechenden Einheitspreise einfach nachgefragt werden können. Hier hilft nur die Erfahrung aus vorangegangenen Maßnahmen, die mit der aktuell zu schätzenden vergleichbar erscheinen.

Die Kostenschätzung für den Erstinvest wird als Tabelle zusammengefasst.

Kostenschätzung
Projektbezeichnung
Maßnahmenbezeichnung
Objektbezeichnung
Leistungsposition Stück m  EP netto  Gesamtpreis netto
Behandlungsmethode 1
Behandlungsmethode 2
Behandlungsmethode 3
Behandlungsmethode 4
Behandlungsmethode 5
Behandlungsmethode 6
Behandlungsmethode 7
Behandlungsmethode 8
Behandlungsmethode 9
Behandlungsmethode 10
….
Zwischensumme
Dokumentation
Bearbeitungskosten netto
Planungskosten
Projektkosten netto
Mehrwertsteuer 19%
Projektkosten brutto
 gerundet

Wenn mehrere Erhaltungsvarianten betrachtet werden, müssen mehrere Kostenschätzungen erstellt werden: Kostenschätzung Variante A, Kostenschätzung Variante B, etc. Der prinzipielle Aufbau bleibt dabei gleich.

Für Einkommenssteuerpflichtige gilt: Beim Erstinvest sollte die Frage der Inanspruchnahme der Steuervergünstigung gemäß §§ 7i, 10f und 11b Einkommensteuergesetz beachtet werden. Sie gilt für Baudenkmale und denkmalgemäße Parks, Gärten und Umfelder.

3. Ein Beispiel für die Schätzung des Erstinvests

 

Ensemblegrenzen Altes Kraftwerk Bildurheberrechte: Kornelius Götz, Susanne Meyer, Denkmalkonzept

Im folgenden wird ein realistisches Beispiel vorgestellt, bei dem die Kostenschätzung für drei Nachnutzungsoptionen durchgeführt wurde.

Ensemble

Das Ensemble Altes Kraftwerk umfasst mehr als nur das Alte Kraftwerk selbst und den Kraftwerksteg; hinzu gehören Portierhaus, Energieableitungsbrücke, Weiterleitungsstelle und die Taverne. Der gesamte Komplex stammt aus der Zeit der Wende zum 20. Jahrhundert. Die Festlegung der Ensemblegrenzen ergibt sich aus der historischen Bedeutung und aus der funktionalen Verschränkung der einzelnen Gebäude in ihrer bisherigen Nutzung. Alle Teile des Ensembles können in eine sinnvolle Nachnutzung einbezogen werden und stehen unter Denkmalschutz.

Neues Kraftwerk (erneuerbare Energie), Altes Kraftwerk (Denkmal) und Naturschutz können sich dabei wechselseitig ergänzen.

Nachnutzung

Es gibt drei Nutzungsoptionen:

  1. Ausstellungshaus
  2. Kompetenzzentrum
  3. Dienstleistungszentrum.

Empfohlen wird die Nutzungsoption 2: Sie steht unter dem Obertitel ‚Kompetenzzentrum Natur und Wirtschaft’ und vereint inhaltlich fünf Bereiche:

  1. Ausstellung zur Geschichte des Kraftwerks
  2. Forum mit Tagungsbereich und Ausbildungszentrum
  3. Pachtflächen für einen auf Umwelt- und Energiethemen ausgerichteten Dienstleistungsbereich
  4. Informationszentrum Naturschutz
  5. Informationspavillon der IBA.

Die Option umfasst damit eine interne (Ausstellung, Infozentrum) und eine externe Nutzung (Pachtflächen, IBA, Forum).

Begründung:

  • Der ideelle Wert ist für alle Beteilightenam höchsten.
  • Die Chancen, das Kraftwerk im kulturellen wie im wirtschaftlichen Bereich zu einem Symbolprojekt der Deutsch-Schweizer Zusammenarbeit zu machen, sind gegeben.
  • Eine Einbindung der Gemeinden, der Naturschutzverbände und des vormaligem Besitzers ist machbar.
  • Den Erfordernissen des Denkmals wird ausreichend Raum gegeben.
  • Das Konzept fügt sich hervorragend in die Idee der IBA ein, indem es alle drei Themenfelder der IBA grenzüberschreitend abdeckt: 1. Kultur ist Baukultur – 2. Rhein& Co – 3. Leben in der Wissensökonomie.
  • Die Sicherung der Folgekosten ist realistisch. Insgesamt gilt, dass Häusern mit einem flexiblen Konzept die Zukunft gehört.

Nutzungsoption 2 mit räumlicher Verteilung der einzelnen Nachnutzungen

Beispiel Kostenschätzung mit 3 Nutzungsvarianten:

 Nutzungsoption 1  Nutzungsoption 2  Nutzungsoption 3
Grundmaßnahmen               6.255.560 €                 6.255.560 €                6.255.560 €
nutzungsabhängige Maßnahmen               1.437.246 €                 3.242.853 €                3.811.215 €
Zwischensumme               7.692.806 €                 9.498.413 €              10.066.775 €
Baunebenkosten 15%               1.153.921 €                 1.424.762 €                1.510.016 €
Summe Euro netto               8.846.727 €               10.923.175 €              11.576.791 €
gerundet netto            8.900.000 €            11.000.000 €           11.600.000 €

Die Tabelle zeigt absoluten Werte für den Erstinvest in Abhängigkeit von drei unterschiedlichen Nachnutzungsoptionen.

Gleich welche Variante für den Erstinvest gewählt wird, entschiedend ist die Gesamtbetrachtung von Erstinvest und Folgekosten!