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Folgekosten

Autoren:
Susanne Meyer

Enthusiasmus ist Voraussetzung – erst muss das Denkmal gerettet sein, dann sehen wir weiter. Enthusiasten dürfen nicht zu sehr an das ‚weiter‘ denken, sonst wäre insbesondere unser baukulturelles Erbe nicht so reichhaltig.

Dennoch: Ein Blick ins ‚weiter‘ kann Nerven sparen. Es gilt, einige Fragen durchzuspielen. Sie haben zunächst noch wenig mit konkreten Zahlen und Summen zu tun.

Die Fragen sind übergreifend und zielen bereits auf ein späteres, gutes Management. Die Initiatoren eines Projektes sollten sich fragen:

1. Wer ist heute Besitzer / Träger und wer könnte es künftig sein?

  • Künftig öffentliche oder private Trägerschaft?
  • Beteiligung der Bevölkerung – dann ggf. Verein sinnvoll?
  • Einbringung des Denkmals in eine Stiftung?
  • Einbringung des Denkmals in eine bereits vorhandene Einrichtung?
  • Suche eines Investors sinnvoll?
  • Was ist mein/unser Anteil und was sind meine/unsere noch unausgesprochenen Hoffnungen? Was erwarten die Initiatoren des Projektes für sich?
  • Kann die öffentliche Hand überhaupt Folgekosten übernehmen und wenn ja, in welchem Umfang?
  • Welche Form ist später die beste, um Zuschüsse einzuwerben?
  • Hinweis: Bei der Entscheidung über die Trägerschaft sollte gezielt Rat eingeholt werden bei anderen Projekten oder bei einem erfahrenen Kulturberater. Es müssen zum einen die steuerlichen Fragen einbezogen werden, zum anderen gilt es, das Verhältnis Träger und Betreiber im Punkt der künftigen Mitsprache und Entscheidungsgewalt zu klären.
  • Besteht Gemeinnützigkeit, d.h. besteht ein öffentliches Interesse? Das Projekt erfüllt in diesem Falle seine Aufgaben ohne Gewinnabsicht. Es dient ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken im Sinne des Steuerrechts. Er ist selbstlos tätig. Es darf keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck der Körperschaft fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden. Es unterliegt damit der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 a Umsatzsteuergesetz. Die Regelung begünstigt öffentlich-rechtliche und private Kultureinrichtungen, denen der Status der Gemeinnützigkeit verliehen wurde. Die Erteilung der Befreiung ist Ländersache und erfolgt in den einzelnen Bundesländern in unterschiedlicher Zuständigkeit. Sie ist in Deutschland zwingend, wenn die Voraussetzungen dazu vorliegen.
  • Einrichtungen, die die Befreiung von der Umsatzsteuer erhalten, verlieren damit die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug. Dies wird dann zum Nachteil, wenn die Einrichtung erhebliche Vorsteuer (Umsatzsteuer) aus Eingangsrechnungen von Dienstleistern und Lieferanten hat.

2. Welche Lücke entsteht, wenn das Objekt doch noch abgerissen wird oder langsam verfällt? Wozu braucht die Welt dieses Denkmal?

  • Beschreibung der Besonderheit oder gar der Einzigartigkeit;
  • Verortung des Industriedenkmals im regionalen und überregionalen Kontext – wo gibt es bereits Ähnliches oder Ergänzendes?
  • Gibt es Teillösungen für das Gesamtprojekt, die den Wert des Denkmals nicht schmälern? Dies kann eine Lösung sein im Falle eines Scheiterns des Gesamtprojektes.

3.Welche Prioritäten müssen gesetzt werden? Was ist unser Wertmaßstab für künftigen Erfolg?

  • Wie weit ist öffentliche Zugänglichkeit möglich?
  • Falls eine Nutzung als Kultureinrichtung angestrebt wird: Haben hohe Besuchszahlen Priorität oder ist es vorrangig ein Kleinod mit besonderen Qualitätsansprüchen (was kein Widerspruch sein muss, aber sein kann).
  • Wie wichtig sind Einnahmen durch Eintritt, Verkauf, Vermietung oder partiellen Verkauf der Anlage, mithin: Wie hoch kann die Deckungsquote sein?

4. Was sind unsere Ressourcen?

  • an Wissen und Ideen;
  • an Kontakten und Partnern;
  • an eigenen finanziellen Mitteln;
  • an möglichen Zuwendungen von Stiftungen und aus der öffentlichen Hand für den Betrieb des Industriedenkmals (zum Erstinvest siehe oben).

5. Wer beschreibt und bebildert []Ausdruck] das Denkmal für Publikation / Internet / Pressemitteilungen so, dass damit für den ersten Schritt Mittel eingeworben werden können?

  • Eine Dokumentation sollte immer sehr früh beginnen (weiterführend dazu in Bestandsdokumentation);
  • Am schwierigsten ist der Start, vergleichbar dem Nullmoment bei Maschinen; er erfordert die größte Kraft – hier ist es gut, für potentielle Förderer frühzeitig ansprechendes Vorzeigematerial bereit zu halten.
  • Wie kann es genutzt werden? Weiterführend dazu in Nachnutzungsüberlegungen

6. Wie kann es genutzt werden? Ist eine Zwischennutzungsinnvoll?

7.Soll es ein bescheidenes Projekt bleiben oder eine ‚ganz große Nummer‘ werden?

  • Diese Entscheidung sollte frühzeitig fallen, und ebenso frühzeitig sollte die Politik vor Ort in die Planungen einbezogen werden, da eventuell Folgekosten durch die öffentliche Hand getragen werden müssen. Bei der frühen Richtungsentscheidung wird vermieden, dass sich in Eigendynamik das Projekt in eine Richtung entwickelt, die entweder überdimensioniert oder aber der Bedeutung des Industriedenkmals nicht angemessen erscheint. Ziel ist es, Stimmigkeit in der Bedeutung des Gebäudes und der Bedeutung seiner Nutzung zu erreichen.

Die Antworten auf diese Fragen kann man in kürzeren Abständen wieder hervor holen und überprüfen. Sie werden dann immer präziser.

Damit werden diejenigen Bereiche einbezogen, deren Klärung untrennbar mit der Schätzung der Folgekosten zusammen gehören. Es sind die Fragen der

Mit den drei Bereichen der Nachnutzung, der Trägerschaft und der Folgekosten ist man bereits bei der künftigen Wirtschaftlichkeit des Projektes angelangt ist.

Wirtschaftlichkeit wird hier nicht nur als reines Zahlenwerk verstanden, sondern beinhaltet auch die Fragen nach der künftigen Betriebsstruktur sowie nach Aufwand und Wirkung in der Betreibung des Objektes. Dies gilt auch, wenn keine finanzielle Gewinnabsicht oder Gewinnmöglichkeit besteht.

Die Antworten auf die 7 Fragen schaffen eine Basis, um eine erste überschlägige Folgekostenschätzung vorzunehmen. Es soll so sein, dass im Ergebnis die Höhe der zu erwartenden Folgekosten über die Frage der Nutzung (mit) entscheidet. Stehen mehrere Nutzungsmodelle zur Diskussion, ist eine modellhafte Kostenschätzung für alle Nutzungsarten sinnvoll. Im Folgenden werden Checklisten angeboten zur Bearbeitung, die im Einzelfall angepasst werden müssen.

  • Checkliste: Kostenschätzung Ausgaben – am Beispiel einer musealen Nutzung
  • Checkliste:  Zusammenfassung „Ausgaben“ nach übergeordneten Positionen
  • Checkliste: Kostenschätzung Einnahmen mit Tabelle:  Deckungsquote

Da die Modellhaushalte in die Zukunft gerechnet werden, sind für ein festzulegendes Stichjahr jeweils einzubeziehen:

  • bei kleineren Anschaffungen zu erwartende allgemeine Teuerungsrate;
  • Löhne, Gehälter und Werkverträge in Anlehnung an die geltenden Tarifverträge berechnen und ebenfalls anpassen;
  • die Teuerungsraten bei den Energiekosten höher ansetzen, zum Beispiel bei Energie in drei Jahren bis zu 30 %, hier im Einzelfall prüfen;
  • Unterhaltung technischer Anlagen: Hier ist bei öffentlicher Nutzung ein Aufschlag für Vandalismusschäden einzurechnen;
  • bei Vermietung ortsübliche Mieten und Chancen auf Vermietung einbeziehen (evtl. Leerstand);
  • prüfen, wo Fremdvergabe sinnvoll sein kann, z.B. Reinigung, Außenanlagen, Kasse, Shop, Führungen etc..

Weiterhin sind einzubeziehen die denkmalgerechten Pflegemaßnahmen.

 

Checkliste: Zusammenfassung „Ausgaben“ nach übergeordneten Positionen
 

Ausgaben

Kostenstellen nach Gruppen zusammengeführt

Modellhaushalt A

Modellhaushalt B

Modellhaushalt C

Mitarbeiter

 

 

 

Unterhaltung und Anschaffungen – Büroausstattung, kleine Reparaturen

 

 

 

Unterhaltung und Anschaffungen –

Medien und Gebühren

 

 

 

Sammlung, Ausstellungen, Fortbildungen

 

 

 

Gebäude / Mieten

 

 

 

Sonstiges

 

 

 

Gesamt

 

 

 

Checkliste: Kostenschätzung Ausgaben – am Beispiel einer musealen Nutzung

Betriebskosten Ausgaben

Modellhaushalt A

Modellhaushalt  B

Modellhaushalt C

Mitarbeiter

 

 

 

Personal

 

 

 

Honorare für Werkverträge

 

 

 

Sachverständigenkosten

 

 

 

Ausgaben für Zivildienst, jetzt Bürgerarbeit

 

 

 

Fremdvergabe im Bereich der Besucherbetreuung, z.B. Kasse und Bewachung

 

 

 

Zwischensumme

 

 

 

zzgl. x % Steigerung bis zum Jahr X

 

 

 

Zwischensumme

 

 

 

 

 

 

 

Unterhaltung und Anschaffungen – Büroausstattung, kleine Reparaturen

 

 

 

Lfd. Büroausstattung und Unterhaltungstechnik

 

 

 

Geräte- und Zimmerausstattungen

 

 

 

Drucksachen, Bürobedarf

 

 

 

Zwischensumme

 

 

 

Zzgl.x % Steigerung bis zum Jahr X

 

 

 

Zwischensumme

 

 

 

 

 

 

 

Unterhaltung und Anschaffungen – Medien und Gebühren

 

 

 

IT-Verträge, Server-Netz, sonstige IT-Leistungen

 

 

 

Postgebühren, Fernmeldegebühren

 

 

 

Rundfunk-, Kabel-, Fernsehgebühren

 

 

 

Bücher und Zeitschriften

 

 

 

Zwischensumme

 

 

 

zzgl. x % Steigerung bis zum Jahr X

 

 

 

Zwischensumme

 

 

 

 

 

 

 

Sammlung, Ausstellungen, Fortbildungen

 

 

 

Erwerb und Unterhalt von Kulturgut

 

 

 

allgemeiner sächlicher Betriebsaufwand (Ausstellungen, Veranstaltungen, kleinere Anschaffungen)

 

 

 

Öffentlichkeitsarbeit: Print – Anzeigen / Banner- und Plakataktionen (Druck und Aushang) / Internet 

 

 

 

Dienstreisen

 

 

 

Transportkosten, sofern nicht im Rahmen von Drittmittelprojekten

 

 

 

Zwischensumme

 

 

 

Zzgl.x% Steigerung bis zum Jahr X

 

 

 

Zwischensumme

 

 

 

 

 

 

 

Gebäude / Mieten

 

 

 

Heizung, Wasser, Energie, Abwasser

 

 

 

Unterhaltung baulicher Anlagen
/ Faktor siehe Pflegeplan

 

 

 

Unterhaltung technischer Anlagen
/ Faktor siehe Pflegeplan

 

 

 

Entsorgungsleistungen durch Eigenbetrieb

 

 

 

Mieten für Depots und andere Zwecke

 

 

 

Fremdvergabe, z.B.  Reinigung, Cafe, Shop, Pförtner, Hausmeister

 

 

 

Zwischensumme

 

 

 

Zzgl. x % Steigerung bis zum Jahr X
(außer bei Energie, Wasser, Strom, Abwasser dort  xxx  bzw. xxxx % eingerechnet)

 

 

 

Zwischensumme

 

 

 

 

 

 

 

Sonstiges

 

 

 

Kostenerstattung, z.B.  Feuerwehr

 

 

 

Umsatzsteuer – Zahllast

 

 

 

Zwischensumme

 

 

 

Zzgl. x % Steigerung bis zum Jahr X

 

 

 

Zwischensumme

 

 

 

 

 

 

 

 

Gesamtsumme
in Euro, gerundet

 

 

 

Kostenschätzung Einnahmen  – am Beispiel einer musealen Nutzung

Hinweis: Schätzung der Besuchszahl und des Eintritts nicht zu hoch ansetzen; Spenden einbeziehen; Förderverein künftig vorhanden? 

Einnahmen Naturkundemuseum

Modellhaushalt A

Modellhaushalt B

Modellhaushalt C

Eintrittsgelder

 

 

 

Einnahmen aus Verkauf

 

 

 

Mieten und Pachten und sonstige Betriebseinnahmen

 

 

 

Drittmittelprojekt-

gebundene Einnahmen – durchschnittlich Ansatz p.a.

 

 

 

Einnahmen Betriebskosten-

erstattung und sonstige Kostenrückerstattung

 

 

 

Rückerstattung Umsatzsteuer Vorjahr

 

 

 

Erstattung für Ausgaben vom Bund (Zivi) – Bürgerarbeit 

 

 

 

Einnahmen Spenden direkt und durch

 Förderverein

 

 

 

Gesamtsumme Einnahmen

 

 

 

 

 

Tabelle:  Deckungsquote

Notwendiger Zuschuss und künftige Deckungsquote

Modellhaushalt A

Modellhaushalt A

Modellhaushalt A

Einnahmen

 

 

 

Ausgaben

 

 

 

Deckungsquote in
durch Einnahmen

 

 

 

Jährlicher Zuschuss

 

 

 

Im folgenden wird ein realistisches Beispiel vorgestellt, bei dem die Schätzung der Folgekosten für drei Nachnutzungsoptionen durchgeführt wurde (Details zum Beispiel).

      Nutzungsoption 1  Nutzungsoption 2  Nutzungsoption 3
Summe Einnahmen Euro netto                   +257.000 €                  +386.000 €                 +260.000 €
Summe Ausgaben  Euro netto -307.000 € -386.000 € -75.000 €
Differenz Euro   -50.000 €   – € 185.000 €

Erläuterungen zur Berechnung:

Die Einnahmen und Zuschüsse in Option 1 decken zu 80 Prozent die Betriebskosten. Eine Deckung ist nur durch höhere Zuschüsse zu erreichen. Zu erwartende Projektfördermittel und Spenden sind nicht einbezogen. Die Investitionskosten sind bei Option 1 am geringsten.

Die Einnahmen und Zuschüsse in Option 2 decken die Betriebskosten. Zu erwartende Projektfördermittel und Spenden sind nicht einbezogen. Modell 2 bietet der Bevölkerung die breiteste Angebotsstruktur, das Alte Kraftwerk – auch mit kleineren Beträgen – durch Spenden zu fördern. Dasselbe gilt für Zustiftungen aus Industrie und Gewerbe. Der ideelle Wert des Konzeptes ist hier am höchsten.

Option 3 mit rein gewerblicher Nutzung hat im Einnahmenbereich die beste Bilanz. Die Auslastung der Verpachtung mit 90 Prozent ist jedoch hoch angesetzt. Die Investitionskosten sind hier am höchsten, werden jedoch durch die Einbeziehung der Abrisskosten von 3 Mio. € reduziert. Eine Gemeinnützigkeit ist hier – im Gegensatz zu Option 1 und 2 – nicht gegeben. Der ideelle Wert des Konzeptes ist am geringsten.