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Pflichtprogramm: Was muss auf jeden Fall getan werden?

Autoren:
Norbert Tempel

Sollen riskante Zustände verhindert werden, sind zum Erhalt des „Status Quo“ regelmäßige Inspektionen des Bestandes und präventive Pflege- und Instandhaltungsmaßnahmen durchzuführen. Steht auch die Erhaltung des Objektcharakters im Vordergrund der denkmalpflegerischen Überlegungen, muss der Schutz von Personen und Umwelt dabei doch immer oberste Priorität besitzen.
Bauliche Anlagen sind u. a. so instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden1. Der Eigentümer/Verfügungsberechtigte trägt die Verantwortung für die ordnungsgemäße Instandhaltung, d.h. Wartung, Überprüfung und ggf. Instandsetzung, und damit die Verkehrssicherheit2 des gesamten Areals samt baulichen und maschinellen Anlagen, Freiflächen und Grünbereichen mit Straßen, Wegen und Treppen. Die sog. Verkehrssicherungspflicht gegenüber Dritten (Besucher, Passanten) ist aus den §§ 823 und 836 bis 838 BGB3,4 abzuleiten.

Für alle eingesetzten Arbeitsmittel und den Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen gilt die Betreiberverantwortung gemäß Betriebssicherheitsverordnung. Auch wenn die Produktion in einem Industriebetrieb eingestellt wurde, bleiben meist Teile der technischen Infrastruktur in Betrieb. Typisch sind Elektroinstallationen, die zumindest für Beleuchtungszwecke und gelegentlich den Anschluss elektrisch betriebener Werkzeuge in Betrieb bleiben, manchmal auch Aufzüge oder Krananlagen oder andere Anlagen der Technischen Gebäudeausstattung (TGA). Diese Anlagen müssen betriebssicher sein, auch wenn sie nur selten betrieben werden.

Schutz von Personen

Gegenüber eigenen Beschäftigten und Dienstleistern gilt die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers5 bzw. Auftraggebers. Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sind in den meisten Ländern detailliert reglementiert, einen Überblick für Deutschland gibt u.a. ein Wikipedia-Artikel zu Unfallverhütungsvorschriften. Die Unfallverhütungsvorschriften (UVV) (seit 2000: Berufsgenossenschaftliche Vorschriften für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, BGV6) stellen die für jedes Unternehmen und jeden Versicherten der gesetzlichen Unfallversicherung verbindlichen Pflichten bezüglich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz dar.

Übliche Mindest-Schutzmaßnahme in der Industrie ist die Verpflichtung zum Tragen geeigneter persönlicher Schutzausrüstungen (PSA) wie Helm und Sicherheitsschuhe. Gefahren-Bereiche sind zu kennzeichnen, zu sichern und ggf. zu sperren. Vor Arbeitsaufnahme (dazu gehören bereits Inspektionen, Probennahmen usw.) muss ggf. eine Gefährdungsanalyse angestellt werden, eine Betriebsanweisung erstellt und das Personal unterwiesen werden. Bei Arbeiten in kontaminierten Bereichen ist die BGR 128 (ehem. ZH 183) zu beachten.

Der Schutz von externen Personen geschieht im einfachsten Fall durch ein Zutrittsverbot und einen ordentlichen Zaun. Sollen Besucher jedoch das Gelände betreten und sich eigenständig und frei bewegen können – was häufig im Sinne einer gewollten Werbung (Öffentlichkeitsarbeit) für das Projekt erwünscht ist – wird die Gewährleistung der Verkehrssicherheit und die Gestaltung des Personenschutzes deutlich aufwendiger. Selbst von einer intakten Industrieanlage können Gefahren für Besucher ausgehen, da sie nach Regelwerken für industrielle Zwecke errichtet wurde, nicht aber für eine öffentliche Nutzung. Zusätzlich entstehen Gefahren in der Stillstandsphase durch unsichere Wege, Stege, Treppen, Plattformen und durch desolate Teile, die herunterfallen könnten. Derartige Gefährdungen können nur durch entsprechende Inspektionen frühzeitig erkannt werden, bevor die Öffnung des Geländes für Besucher erfolgen darf. Wenn dabei Gefahren festgestellt werden und nicht unmittelbar abgestellt werden können, gibt es mehrere Konsequenzen:

  • Absperrungen und Zutrittsverbote speziell für gefährliche Teilstücke einer Industrieanlage, gefahrlose können dagegen geöffnet werden; Hinweise an die Besucher, dass man ihnen hier ein Privileg einräumt, sie deshalb aber die kleineren Einschränkungen unbedingt beachten müssen. Als Absperrung reicht das sog. Flatterband nicht aus, sondern es sind massivere Absperrungen (wie Bauzäune) zu verwenden, um eine Gefahr nicht nur zu signalisieren, sondern einen Zutritt effektiv zu verhindern.
  • temporäre Maßnahmen: Abstützungen, Verschalungen, Auffang-Netze;
  • im Extremfall: Rückbau des kritischen Bereiches einer Anlage. Vorher ist unbedingt zu dokumentieren, um ggf. eine spätere Instandsetzung zu ermöglichen.

Empfehlung: Die vorhandenen Inspektionswege einer Industrieanlage daher vorsorglich immer gangbar halten, um Sicherheitsinspektionen zu ermöglichen.

Einfacher gestaltet sich der Zugang mittels geschlossener Führungen mit Besuchern. Werden hier potentiell gefährdete Bereiche betreten, sind Helme und ggf. Sicherheitsschuhe von allen Teilnehmern zu tragen. Die Gruppengröße ist so zu begrenzen, daß der Führer Fehlverhalten rechtzeitig erkennen und abstellen kann.

Schutz der Umwelt

Auch stillstehende Industrieanlagen können Einflüsse auf die Umwelt ausüben, daher sind verschiedene Aspekte der Umweltgesetzgebung7 zu beachten. Das Thema Altlasten ist im Bundesbodenschutzrecht geregelt8. Über den Umgang mit Gefahrstoffen im Industriedenkmal informiert Kap. „Zum Umgang mit Gefahrstoffen im Industriedenkmal“.

Schutz des Denkmals

Durch eine Unterschutzstellung als Denkmal besteht eine – recht allgemein formulierte – Pflicht zum Erhalt des Objektes. „Die Eigentümer und sonstigen Nutzungsberechtigten haben ihre Denkmäler instand zu halten, instand zu setzen, sachgemäß zu behandeln und vor Gefährdung zu schützen, soweit ihnen das zumutbar ist.“ (so z.B. Denkmalschutzgesetz NRW § 7). Bei Baumaßnahmen ist neben der Bauordnungsbehörde ggf. die Denkmalpflege zu beteiligen. Schlichte Pflegemaßnahmen und einfache Reparaturen sind nicht zustimmungspflichtig; sobald es zu größeren Eingriffen bzw. Veränderungen kommt, ist auf jeden Fall die Denkmalpflege vorab einzubeziehen. /Verweis auf gesondertes künftiges Kap. Denkmalpflege, darin auch ggf. Abstimmungsverfahren über Reduzierung von Dm-Bestandteilen/

Bei UNESCO-Welterbestätten sind die „Richtlinien für die Durchführung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“, insbes. Kap. IV „Verfahren zur Überwachung des Erhaltungszustandes der Welterbegüter“ zu beachten. /Verweis auf künftiges Kap.Welterbestätten/


1. Siehe: § 3 Abs. 1 der Musterbauordnung (MBO) sowie die entsprechenden Artikel der Landesbauordnungen
2. Verkehrssicherheit wird nach § 16 (1) der MBO grundsätzlich gefordert: „Bauliche Anlagen und die dem Verkehr dienenden nicht überbauten Flächen von bebauten Grundstücken müssen verkehrssicher sein.“
3. Siehe: Verkehrssicherungspflicht und Anforderungen-Verkehrssicherungspflicht
4. Siehe: Gefährdungshaftung
5. In Deutschland ergibt sich die Fürsorgepflicht aus §§ 241 Abs. 2, 617-619 BGB als Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgeber ist danach gehalten, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die jeden Beschäftigten vor Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit schützen. Hierzu bestehen eine Reihe von gesetzlichen Schutzvorschriften, etwa die Arbeitsstättenverordnung, das Arbeitsschutzgesetz, das Arbeitssicherheitsgesetz und die Betriebssicherheitsverordnung. Bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften als Träger der beruflichen Unfallversicherung ist am 1.1.2004 die neue Unfallverhütungsvorschrift (UVV) „Grundsätze der Prävention“ (BGV A1) einheitlich und flächendeckend in Kraft getreten. Das Konzept der BGV A1 kommt ohne Detailvorschriften aus und stärkt damit die von Politik und Verbänden geforderte höhere Eigenverantwortung des Unternehmers für den betrieblichen Arbeitsschutz. Auch die Versicherten werden unmittelbar in die Pflicht genommen, den Unternehmer bei seinen Vorkehrungen für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu unterstützen:BG-Vorschriften/Unfallverhütungsvorschriften
6. BG-Vorschriften sind online zugänglich z.B. unter Berufsgenossenschaftliche Vorschriften-1, Berufsgenossenschaftliche Vorschriften-2 oder Arbeitssicherheit
7. Bisher existiert in Deutschland kein zusammenfassendes Umweltgesetzbuch. Einen ersten Überblick über das komplexe Thema Umweltrecht gibt u.a. der Wikipedia-Beitrag Umweltrecht
8. Das Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) ist ein 1999 in Kraft getretenes bundesdeutsches Gesetz, das zusammen mit den Bodenschutzgesetzen der Länder den Hauptteil des bundesdeutschen Bodenschutzrechts bildet. Das Gesetz wird ergänzt durch die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV)