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Reinigungsmethoden

Autoren:
Bernhard Mai

Trockenreinigung durch Abpinseln (Aufnahme Zollverein, Kohlenwäsche 2005) Bildurheberrechte: Kornelius Götz, Büro für Restaurierungsberatung 2004

Methodischer Ansatz

Die Methoden bei der Reinigung von Oberflächen im Industriedenkmal unterscheidet sich von Grundsatz her in der Wahl der Mittel nur unwesentlich vom Frühjahrsputz im eigenen Heim. Die „Oberfläche“ eines Industriedenkmals besteht aus Bauwerksoberflächen wie Böden, Wände, Decken, dem bauverbundenen oder losen Rauminventar (Werkbänke, Spinde etc.) und den Maschinen, Anlagenteile (z.B. Rohrleitungen) bis zum sogenannten Kleininventar (Werkzeug, Hilfsmittel etc.)

Der Grad der Reinigung an den genannten Oberflächen weicht jedoch in vielen Fällen deutlich vom Hausputz ab. Wenn das Reinigungsziel in der Darstellung einer noch „warmen“ Fabrik besteht, bedeutet das oftmals nur die Beseitigung der neuerlichen Verunreinigungen, die seit der Stilllegung entstanden sind. Diese können jedoch erheblich sein, beträgt die zeitliche Spanne zwischen Stilllegung und Wiedergeburt mehrere Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte.

Die Herangehensweise wird prinzipiell bestimmt durch die Anwendung von drei unterschiedlichen Reinigungsstufen die auch in der Behandlung von allen übrigen Kunst- und Kulturgegenständen Standard sind. Professor Dr. Christoph Merzenich, FH Erfurt, Fachrichtung Restaurierung/Konservierung, formuliert sie in abstrahierter Form folgendermaßen:

  1. Totalreinigung: Verschmutzungen werden komplett entfernt (total cleaning; pulitura totale).
  2. Partialreinigung: Verschmutzungen werden auf der gesamten Oberfläche gleichmäßig gedünnt (teilweise entfernt), das heißt nicht bis zur ursprünglichen Objektoberfläche (partial cleaning; pulitura parziale).
  3. Differentialreinigung: Verschmutzungen werden auf der Oberfläche unterschiedlich intensiv entfernt – vollständig, partiell oder gar nicht. Es wird eine visuelle, für den heutigen Betrachter „angenehme“ Einheit angestrebt, die in den meisten Fällen nicht identisch mit dem ursprünglichen (bei Kunstwerken vom Künstler gewollten) Eindruck ist, der durch den Alterungsprozesse irreversibel verloren gegangenen ist.

Übertragen auf die Reinigungsmethoden bei Industriedenkmalen lassen die drei Reinigungsgrade folgende praktikable Umsetzung zu:

Zu 1): Totalreinigung: vollständige Beseitigung aller artfremden Stoffe, also auch jene, die sich während des regulären Betriebes auf der Objektoberfläche abgelagert haben (z.B. Produktionsrückstände wie Kohlenstaub in einem Bergwerk, Schmieröl aus Öler etc.).

Ohne tiefgreifende Reinigung ist hier keine Erhaltung möglich: Dampframme des LWL-Industriemuseums auf der Werft in Waltrop

Zu 2): Partialreinigung: Abnahme der Verschmutzungen, die nach der Stilllegung entstanden sind, Produktionsrückstände etc. bleiben.

Zu 3): Differentialreinigung: Verschmutzungen werden vollständig, partiell oder gar  nicht entfernt; die Entscheidung darüber, welche Oberfläche im Einzelfall wie behandelt wird, muss bei der Festlegung des Restaurierungsziels definiert werden. Dabei spielt die jeweilige Objektgröße nur eine untergeordnete Rolle.

Schutzmaßnahmen

Bei allen anzuwenden Reinigungsmethoden ist neben den denkmalpflegerischen Aspekten der Gesundheitsschutz und auch der Brandschutz zu beachten. Jede Reinigung birgt Gefahren für Mensch und das Objekt. Die notwendigen Schutzmaßnahmen für den Menschen ergeben sich aus der Art  der Reinigungsmethode, den zu entfernenden Stoffen sowie den eingesetzten Reinigungsmitteln.

Die notwendigen Schutzmaßnahmen für die zu reinigenden Objekte ergeben sich aus der denkmalpflegerischen Zielstellung im Kontext zur Objektsituation. Schutzmaßnahmen sind aktiver und passiver Natur:

  • aktive Schutzmaßnahme: die richtige Wahl der Reinigungsmethode und -technik ;
  • passive Schutzmaßnahme: alle Maßnahmen die den Umgebungsschutz mittelbar (z.B. Gewässerschutz) und unmittelbarer (z.B. Abdeckung der benachbarten Objekte) einbeziehen.

Reinigungstechniken

Trockenreinigung
Die Trockenreinigung ist die verbreitetste Methode zur Reinigung der Oberflächen. Sie ist grundsätzlich für alle Objektoberflächen und somit für alle Materialen organischer wie anorganischer Art geeignet. Sie erfolgt händisch – durch abpinseln, abkehren, abfegen- und/ oder maschinell unterstützt durch absaugen.

Dieser Methodenmix hat sich als objektschonend und zugleich als wirtschaftlich herausgestellt. Weil bei der Partialreinigung trockene und locker aufliegende Verschmutzungen entfernt werden müssen, hat sie sich dort bestens bewährt.

Die maschinelle Trockenreinigung der Oberflächen mit Staubsaugern kann unterstützend für die händische Reinigung genutzt werden oder ausschließlich. Moderne Industriestaubsauger sind in der Saugkraft regelbar, es gibt dazu eine Reihe nützlicher Vorsätze (Bürsten, Düsen), die Schläuche können bis 20m lang sein ohne einen nennenswerten Saugkraftverlust zu erleiden. Zudem sind diese Staubsauger mit einer speziellen Filter- und Beuteltechnik ausgestattet (DIN EN 60335-2-69 Anhang AA Staubbeseitigende Maschinen der H-KLASSE), die auch das  sichere Absaugen und anschließende Entsorgen von Gefahrstoffen nach TRGS-519 ermöglicht.

  • Anwendungsgebiet: Alle Oberflächen die normal verschmutzt sind, also Staub und lose Auflagerungen haben.
  • Wirtschaftlicher Aspekt: Der Geräteeinsatz ist bei Flächen ab 10 m2 sinnvoll oder bei Spezialreinigungsarbeiten mit Gefahrstoffen

Um zu verhindern, dass unbeabsichtigt Objektteile eingesaugt werden, kann die Öffnung der Saugdüse mit einem grobmaschigen Netz bestückt werden, das nur Partikel unterhalb einer definierten Größe passieren lässt.

Feuchtreinigung
Die Feuchtreinigung nutzt polare und nichtpolare Lösemittel zur Entfernung von Verschmutzungen.

Wasser ist das weitaus am häufigsten eingesetzte polare Lösemittel zum Lösen von polaren Stoffen auf der Oberfläche (z.B. Salze). Zudem kann durch den Einsatz von Tensiden nichtpolarer Schmutz (Fette, Öle) im begrenzten Umfang gelöst werden. Der Einsatz der Feuchtreinigung ist begrenzt, denn nicht alle anorganischen Materialien (z.B. Putze und blanke Oberflächen von Eisenwerkstoffen) sowie organischen Materialien (z.B. Holz und Textilien) nehmen diese Reinigungsform klaglos hin.

Die Spanne der Feuchtreinigung reicht von der nebelfeuchten Reinigung (Lappen) bis zur klassischen Nassreinigung (mit Bürste und Lappen, ggf. Wasserschlauch mit geringen Druck). Sie erfolgt manuell.

Erheblicher Reinigungsbedarf: Möllergraben der Henrichshütte in Hattingen, LWL-Industriemuseum, 2016

Die maschinelle Feuchtreinigung nutzt Dampfreinigungsgeräte oder Hochdruckreinigungsgeräte mit Kalt- und Heißwasserbetrieb. Hier ist bei der Verwendung im besonderen Maß auf die örtlichen Einleitungsbestimmungen von Abwässern zu achten.

  • Anwendungsgebiet: alle Oberflächen die stark verschmutz sind;
  • Wirtschaftlicher Aspekt: der Geräteeinsatz ist bei Flächen ab 50-100 m2 sinnvoll oder bei Spezialreinigungsarbeiten.

Bei der Reinigung mit nichtpolaren Lösemitteln werden nichtpolare Verschmutzungen (Betriebs- und Schmierstoffe) wie Öle, Fette, Harze mit nichtpolaren Lösemitteln (Waschbenzin, Petroleum) von der Oberfläche gelöst. Neben den allgemeinen Bestimmungen für Gesundheits- und Brandschutz gilt es bei der Verwendung zudem auf die Verträglichkeit mit der Objektoberfläche zu prüfen. Kunststoffe und Beschichtungen können beim Lösungsvorgang angegriffen und im schlimmsten Fall sogar total entfernt werden.

Sonderformen
Es gibt zwei Sonderformen, die abweichend von der klassischen Trocken- und Feuchtreinigung mit Lösemitteln ein breites Anwendungsspektrum zur Reinigung von Oberflächen abdecken.

Saug- und Waschdüse beim Vakuumwaschverfahren

Aus der Stein- und Fassadenrestaurierung bekannt, ist das Vakuumwaschverfahren auch eine sinnvolle Methode bei der Reinigung von Oberflächen in Industriedenkmalen. Der Vakuumwaschsauger ist für alle Oberflächentexturen tauglich. Seine Anwendung ist bei organischen und anorganischen Materialien gleichermaßen möglich, da der Feuchteauftrag nur von kurzer Dauer ist. Grundsätzlich kommt das Vakuumwaschverfahren ohne weitere Reinigungschemikalien aus.

  • Anwendungsgebiet: Alle Oberflächen –vorzugsweise glatte- die normal verschmutz sind. (Beton, Fliesen, Holz, beschichtete Oberflächen).
  • Wirtschaftlicher Aspekt: Der Geräteeinsatz ist bei Flächen ab 100m2 erst sinnvoll oder bei Spezialreinigungsarbeiten.

Das Vakuumwaschverfahren ist eine geschützte Marke (GREGOMATIC®).

Sweepen
Sweepen, zu deutsch Sanftstrahlen, ist ein Partikelstrahlverfahren aus der Korrosionsschutztechnik, bei dem mit geringen Strahldruck und einen Strahlwinkel von 30° zum Objekt die Oberflächen angeraut werden. Dieses Verfahren kann auch bei einer großflächigen Reinigung von Stahloberflächen mit Korrosion und lockeren Beschichtungen verwendet werden. Dabei werden alle losen Bestandteile wie  Farbschollen, Rostpartikel und Schmutz entfernt. Hier hat sich seit längerem das Niederdruckstrahlverfahren mit einer Reihe unterschiedlicher Strahlmittel etabliert. Dieses Verfahren ist grundsätzlich sehr wirtschaftlich, auch unter dem Aspekt der intensiven Nachreinigung der gesweepten Flächen und ihrer Umgebung.

  • Anwendungsgebiet: Stahloberflächen (Profilstähle von Tragwerken);
  • Wirtschaftlicher Aspekt: Sweepen ist erst bei Flächen ab 500m2 sinnvoll oder bei Spezialreinigungsarbeiten.