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Schutzkonstruktionen zur Erhaltung wetterexponierter Anlagenteile

Autoren:
Kornelius Götz

Koksofenbatterie mit Maschinen in der Kokerei im Weltkulturerbe Völklinger Hütte Bildurheberrechte: Büro für Restaurierungsberatung, 2008

Ausgangssituation

Auf dem Gelände eines Industriedenkmals gibt es oft einzelne Anlagenteile, die ohne Schutz dem Wetter ausgesetzt sind. Aufgrund ihrer Materialien, Konstruktion und ursprünglichen Verwendung können sie mittelfristig nicht ohne Schutzmaßnahmen erhalten werden.

Ein anschauliches Beispiel bietet dafür die Koksofenbatterie mit ihren zugehörigen Maschinen im Weltkulturerbe Völklinger Hütte (s. Abbildung oben). Während der Betriebszeit waren die Öfen durch die Hitze vor Wasser geschützt, das Regenwasser auf der Außenseite der Ofendecke verdunstete. Heute sickert Regenwasser durch das Flachdach der Ofendecke und zerstört die Schamottausmauerung der Öfen, die Stahlkonstruktion ist durch Korrosion ebenfalls akut gefährdet.

Der zugehörige Maschinenbestand (Drückmaschine, Füllwagen, Koks-Kuchen-Führungswagen) wurde während der Betriebszeit aus wirtschaftlichen Gründen funktionsfähig gehalten. Nach Ende des Betriebs unterblieb die Instandhaltung, weil es kein wirtschaftliches Interesse an der Maschinenerhaltung mehr gab. Heute sind die Maschinen vor allem durch Korrosion und Vandalismus schwer geschädigt.

Die Translozierung an einen wettergeschützten Aufstellungsort ist für die gefährdeten Anlagenteile nicht möglich, ohne die historisch gewachsene Einheit aus Ort und Bestand zu zerstören. Nur diese Einheit ermöglicht es aber, daraus einen direkt ablesbareren Funktionszusammenhangt herzustellen.

Schutzdächer

Der Wetterschutz kann durch Schutzdächer hergestellt werden. Um allgemeine Prinzipien für deren Dimensionierung und Gestaltung zu bestimmen, ist eine differenzierte Voruntersuchung erforderlich. Das Ziel der Voruntersuchung ist es, eine einheitliche Schutzdachlösung für das jeweilige Industriedenkmal zu entwickeln, damit die neuen Schutzdächer sich bestmöglich in den Besatnbd einfügen; sie sollten aber vom besatnd klar als neue Zutat unterswcheidbar sein.

Die Voruntersuchung besteht aus drei unterschiedlichen Schritten:

  1. Schritt Bestandserkundung: Es wird in Wort und Bild dokumentiert, welche Schutzdächer auf dem Gelände des Weltkulturerbes Völklinger Hütte bereits während der Betriebszeit und in der Folgezeit realisiert wurden.
  2. Schritt Vergleiche: Es wird in Wort und Bild dokumentiert, welche Schutzdachkonstruktionen in anderen Industriedenkmalen realisiert wurden und wie sie aussehen.
  3. Schritt Entscheidungsfindung: Bezogen auf das Weltkulturerbe Völklinger Hütte werden aus den Schritten 1 und 2 für die Gestaltung von Schutzdächern allgemeine Prinzipien für einen Anforderungskatalog definiert.

Im folgenden werden diese drei Schritte am Beispiel des Weltkulturerbes Völklinger Hütte diskutiert.

1. Bestandserkundung

Im Weltkulturerbe Völklinger Hütte sind aus der Betriebszeit die unterschiedlichsten Ausführungen von Schutzdächern vorhanden. Sie verfolgen nur ein Ziel: einzelne Anlagenteile vor Witterung und Feuchtigkeit zu schützen. Die Funktion dominierte, ihre ästhetische Gestaltung spielte keine Rolle.

Geschützt werden sollten vor allem elektrische Anlagenelemente; daneben auch bewegliche und gelagerte Maschinenteile, um ihre Funktion so lange wie möglich zu gewährleisten. Vereinzelt wurden für die Belegschaft Unterstände als Wetterschutz errichtet.

Zur Betriebszeit wurde bei der Herstellung dieser Schutzdächer nur auf ihre Funktionalität und einfache Montage bzw. Demontage geachtet. Entsprechend einfach war ihre Konstruktion: ein auf Format zurechtgeschnittenes und gekantetes Stahlblech, das mit wenigen Schrauben über dem zu schützenden Anlagenteil fixiert wurde. Bei größeren Schutzdächern und Unterständen, wurde erst eine Halte- oder Rahmenvorrichtung vor Ort gebaut. Auf dieser fixierte man dann Wellblech- oder einfache Blechplatten mit leichtem Gefälle für den Wasserablauf. Eine gesonderte Wasserableitung fehlte. Entscheidend war nur der passend dimensionierte Überstand über dem zu schützenden Anlagenteil als Schlagregenschutz.

Die verschiedenen Bauarten und Standorte der Schutzdächer im Weltkulturerbe Völklinger Hütte wurden in einer Bestandsdokumentation aufgeführt und bildlich dargestellt.

Typisches Schutzdach über einer Elektroanlage im Weltkulturerbe Völklinger Hütte.

2. Vergleiche: Neue Schutzkonstruktionen in anderen Industriedenkmalen

Für neue Schutzkonstruktionen in Industriedenkmalen gibt es unterschiedliche Ausführungen. Sie sind im Kapitel „Fallbeispiele aus unterschiedlichen Industriedenkmalen“ aufgeführt, jeweils mit Bild und Bewertung ihrer Vor- und Nachteile. Aus den Fallbeispielen können als Typologie von Schutzkonstruktionen in Industriedenkmalen vier Kategorien gebildet werden:

  1. Temporäre Schutzabdeckung als direkte Umhüllung des Objekts mittels Kunststofffolie
    mit Windsicherung und ohne freitragende Stützkonstruktion. Diese Art der Schutzabdeckung ist nur als Notmaßnahme akzeptabel, ihre Schutzwirkung und die Kosten sind im Vergleich mit allen anderen Kategorien am geringsten.
  2. Integrierte Schutzabdeckung aus Blech 
    teilweise Abdeckung eines Objektes mit Stahlblech, das Blech ist fest mit dem Objekt verbunden. Mit dieser Methode können Teile eines Schutzobjektes – vor allem Innenräume – sehr effektiv geschützt werden. Die Verwechslung mit dem Bestand ist relativ leicht gegeben, die Kosten sind gering.
  3. Schutzdach als freitragende Dachkonstruktion
    ber einem Objekt ohne Seitenwände aber mit Schlagregenschutz. Die Schutzwirkung in dieser Kategorie ist hoch bei richtig dimensioniertem Dachüberstand. Die optische Beeinflussung des Bestands ist allerdings auch erheblich. Schutzdächer verursachen je nach Konstruktion und Material erhebliche Investitionskosten. Diese Art Schutzdächer können
  • 3 a) schlichte Neubauten sein, die sich vom Schutzobjekt klar unterscheiden;
  • 3 b) im Erscheinungsbild dem Schutzobjekt soweit angepasst werden, dass sie nicht mehr als neue Zutat erkennbar sind („Neubau als Imitat“);
  • 3 c) einen eigenen Gestaltungsanspruch aufweisen, und/oder abstrahierend auf den Bestand Bezug nehmen;
  • 3 d) mit einem Zusatznutzen ausgeführt werden, zum Beispiel als Solarpaneel.Schutzbau als vollständige Überbauung eines Objekts. Unter diese Kategorie fallen sehr abstrakt ausgeführte Schutzbauten (rechteckige Baukörper, vorwiegend aus Glas); konstruktiv muss ihre Klimatisierung gegeben sein. Die Investitionskosten sind fallweise ebenfalls hoch.

Hemingways Boot auf Kuba, ein typisches Beispiel eines Schutzdachs als freitragende Dachkonstruktion.

3. Entscheidungsfindung

Bestandsdokumentation von Schutzdächern im Weltkulturerbe Völklinger Hütte: Im Bestand des Weltkulturerbe Völklinger Hütte finden sich ausnahmslos Schutzdächer der Kategorie 3.b), also Schutzdächer, die im Erscheinungsbild dem Schutzobjekt soweit angepasst werden, dass sie nicht mehr als neue Zutat erkennbar sind („Neubau als Imitat“).

Nach diesem Prinzip wurden bei der Restaurierung von Elektroschaltschränken bei den Hängebahnstellwerken B und M im Frühjahr 2011 neue Schutzdächer im „Hüttenstil“ angebracht oder Fehlstellen ergänzt. Sie sind von den Bestandsschutzdächern nicht unterscheidbar, wurden aber in der Maßnahmendokumentation als neue Zutat ausgewiesen.

Ergänzter Schutzdachbestand aus dem Jahr 2011 – links der Vorzustand, rechts nach der Restaurierung (<–). Die Ergänzung wurde mit verzinktem Stahlblech ausgeführt und an der vorhandenen Tragkonstruktion befestigt.

Fallbeispiele aus unterschiedlichen Industriedenkmalen: Die Fallbeispiele von Schutzkonstruktionen in anderen Industriedenkmalen zeigen: Das Spektrum der Möglichkeiten reicht von temporäreren Schutzabdeckungen aus Folie, über integrierte Schutzabdeckungen aus Blech, über Schutzdächer verschiedenster Bauarten bis zu massiven Schutzbauten.

Empfohlen
Für Anlagenteile oder einzelne Maschinen im Weltkulturerbe Völklinger Hütte kommt konstruktiv nur  das Prinzip Schutzdach in Frage, das

  • als schlichte Neukonstruktion erkennbar ist,
  • einen eigenen Gestaltungsanspruch aufweist, und/oder abstrahierend auf den Bestand Bezug nimmt.

Nicht empfohlen
Temporäreren Schutzabdeckungen aus Folie sind Notmaßnahmen. Weil sie keine dauerhafte Schutzmaßnahme sind, kommen sie nicht in Betracht. Integrierte Schutzabdeckungen aus Blech sind auf spezielle Objektformen beschränkt und scheiden deshalb ebenfalls aus.
Schutzbauten als Neubau scheiden aus zwei Gründen aus: Sie verdecken mehr oder weniger das Schutzobjekt und (zer)stören damit den Kontext; sie benötigen im Vergleich mit den anderen Schutzkonstruktionen die größten Investitionen.

Anforderungskatalog für Schutzkonstruktionen  im Weltkulturerbe Völklinger Hütte

Schutzkonstruktionen zur Erhaltung wetterexponierter Anlagenteile im Weltkulturerbe Völklinger Hütte sollen folgenden Kriterien genügen:

  1. als Schutzdach ausgeführt werden;
  2. soweit wie möglich reversibel konstruiert werden;
  3. vom Bestand klar unterscheidbar sein;
  4. keine raumbildende Wirkung erzeugen, um den Bestand nicht zu dominieren;
  5. aus dauerhaften und qualitätsvollen Materialien bestehen;
  6. seriell einsetzbar sein, das heißt für unterschiedliche Schutzobjekte auf dem Gelände in erkennbar gleicher Form auftreten;
  7. hüttenspezifische Formen oder Merkmale abstrahieren;
    – Anmerkung zum Begriff „Form“: Der „Hüttenstil“ für Schutzdächer ist das gekantete Stahlblech auf einer einfachen Tragkonstruktion;
    – Anmerkung zum Begriff „Merkmal“: Merkmale des Hüttenbetriebes sind zum Beispiel Staub, Hitze, Brennen, Feuer, Rost, Schwerlast.

Andere Dateien:

Bedecken! (Präsentation über Schutzdächer, Ottawa, BigStuff 2013)