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Bestandserfassung, Dokumentation und Visualisierung

Bestandserfassung, Dokumentation und Visualisierung

Modellbildung: Grundsätze – Methoden – Werkzeuge

Autoren:
Stefan Brüggerhoff
Norbert Tempel

Eine erfolgreiche Sanierung und Erhaltung eines Industriedenkmals bedingt die genaue Kenntnis des Bauwerks, seiner charakterisierenden Bauformen, des Tragwerks und der Baukonstruktionen, der eingesetzten Materialien inklusive aller Veränderungen und aufgetretenen Schäden.
 
Am Anfang einer Baumaßnahme steht die Informationserfassung, die durch Grundrisspläne, Ansichten, Schnitte, Raumbücher, Fotodokumentationen, Bauteilkataster, Archivrecherche und Bauforschung in vielfältiger Form erfolgen kann und über den gesamten Verlauf des Bauprozesses und der späteren Instandhaltung erweitert, ergänzt und ggf. korrigiert werden muss.
 
Alle Aufgabenbereiche benötigen eine geometrische Modellbildung zur übersichtlichen Darstellung, d.h. die Darstellung des Baukörpers in einem „Modell“ (von der Handskizze bis zum 3D-CAAD-Modell) – die Detailtiefe und Genauigkeit (und damit der Aufwand) sind der jeweiligen Aufgabe anzupassen.
 
Die Zustandsfeststellungen („Schäden“) werden dann in Befund-Berichten und möglichst anhand eines „Modells“ kartiert, alle weiteren Befunde werden dazu in Bezug gesetzt.
  1. Inventarisation: Vor der Bestandsaufnahme und Dokumentation der einzelnen Baukörper und Anlagenteile muss bei einer größeren industriellen Anlage eine zumindest einfache Inventarisation stehen (Benennung und Nummerierung der Funktionsbauten und Anlagen, Einzeichnen in Lageplan). Auf der Ebene Einzelobjekt umfasst die Inventarisierung die Erhebung und möglichst auch die Benennung (und zumindest schematische Einzeichnung) von Maschinen und Anlagenteilen sowie ggf. sonstiger Ausstattung (Raumbuch). Eine vorzügliche englischsprachige Publikation zur umfassenden Dokumentation von Industrieanlagen (Documenting Industry – How and Why?) steht im Internet oder unten auf dieser Seite zum kostenfreien Download zur Verfügung.
  2. Bestandsaufnahme und –analyse bezügl. Standsicherheit [VDI-Richtlinie 6200] (incl. notwendiger Werkstoffuntersuchungen bezüglich Festigkeit, Schweißbarkeit usw.)
  3. In Ergänzung zu 2.) die Bestandsaufnahme zur Verkehrssicherheit (z.B. Stege, Treppen, Plattformen als Inspektionswege und ggf. Besucherwege; Gefahr durch herabfallende Teile der Sekundärkonstruktion, Rohrleitungsummantelungen, Befestigungsmittel usw.) sowie zur Dauerhaftigkeit (auch Dokumentation „schleichend voranschreitender Zustandsverschlechterungen“ wie z.B. Schäden an Natursteinen, Beton).

In Österreich existiert seit 2015 eine Norm (ÖNORM A 6250-2:2015 „Aufnahme und Dokumentation von Bauwerken und Außenanlagen“), deren Teil 2 die Bestands- und Bauaufnahme von denkmalgeschützten Objekten zum Inhalt hat.

Von CEN TC 346 wurden zum Thema Bestandserfasssung zwei europäische Normen veröffentlich:

  • Erhaltung des kulturellen Erbes – Zustandsaufnahme an beweglichem Kulturerbe; Deutsche Fassung EN 16095:2012
  • Erhaltung des kulturellen Erbes – Zustandserhebung und Bericht für das gebaute Kulturerbe; Deutsche Fassung EN 16096:2012

Es gibt eine Vielzahl von Erkundungsmethoden des physischen Zustands, die vom nicht-invasiven Messen (z.B. von Materialstärken, Beschichtungen, Härte, Feuchtigkeit) bis hin zu invasiven – und damit in gewissem Umfang zerstörenden – Methoden (z.B. Abschlagen von Putzschichten, Herausstemmen von Steinen, Ziehen von Bohrkernen u.ä.) reichen. Manchmal müssen Proben verwendeter Baumaterialien entnommen werden, um Materialeigenschaften im Labor testen zu können (z.B. Materialeigenschaften wie Zugfestigkeit, Schweißbarkeit oder Sprödbrüchigkeit bei Stahl).

Riss-Monitor im Einsatz

Die qualitativen und quantitativen Veränderungen von Rissen lassen sich mit Langzeitbeobachtungen, z.B. mit Hilfe von sog. Riss-Monitoren, nachvollziehen.

Zur Frage „Was ist eine notwendige Untersuchung?“ zwei Präsentationen als Download unten auf dieser Seite:
  • Allgemeine Einführung in ein weites Feld
  • Untersuchungen zum Materialzustand
Beide Präsentationen wurden gehalten im Rahmen von „ Aktionsplan für den nachhaltigen Umgang mit Industriedenkmälern“; Workshop 3: „Erfassung und Bewertung des Zustandes eines Industriedenkmals – Intention, Planung und Umsetzung“. Bochum, 8. Februar 2011.