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Aussichtstürme, Denkmale, Zeichen und Skulpturen

Aussichtstürme, Denkmale, Zeichen und Skulpturen

Autoren:
Burkhard Pahl

Überraschend ist die Wahrnehmung zeichenhafter Türme, wenn sie nicht mehr isoliert ihren jeweiligen Aufstellungsort dominieren, sondern nach Bauhöhe sortiert, eingereiht und dargestellt sind. Der konstruktivistische und programmatische Tatlin-Turm von 1920 (geplantes Monument für die 2. Kommunistische Internationale) erreichte als Holzmodell lediglich eine Höhe von 5 m. Dennoch steht er symbolhaft für die Befreiung von einer überkommenen Formensprache.

Die heute üblichen und vielfältigen Ausdrucksformen unterliegen abgrenzbaren Gesetzmäßigkeiten mit unterschiedlicher Wahrnehmung der Tragkonstruktion:

  • Prinzip Säule, zumeist abstrakte geometrische Körper in monolithischer Bauweise, Massivbau, weitgehend geschlossene Oberfläche;
  • figürliche Darstellungen, bis ca. 30 m Höhe, basierend auf Hilfskonstruktion (innen liegendes Stahlgerüst) und Bekleidung;
  • stufenartige Massenbauwerke;
  • Skelettbauten mit und ohne Bekleidung, vornehmlich als Lichtskulptur oder Aussichtsturm, mit integrierter Treppenanlage errichtet;
  • Annäherungen an Strukturformen, visuelle Darstellung des Tragwerkverhaltens als Form gebendes Prinzip;
  • Experimentaltürme und Skulpturen, teils formal überhöhte Darstellung von Teilaspekten der Formfindung oder der Tragstruktur (z. B. Tensegrity).

Formale Glaubwürdigkeit im Erscheinungsbild entsteht durch konstruktive Einfachheit und strukturelle Qualität aller Teile. Als Zeichen bedürfen sie einer bildhaften Sprache, Unverwechselbarkeit. Diese kann auch ein herausragendes Tragsystem sein. Ein Problem besteht in der Maßstabslosigkeit gleicher Bauformen (Obelisk, vgl. auch Washington Monument, Abbildung 36).

Abbildung 36: Washington Monument, Washington D.C., USA, Höhe 169 m, Querschnitt 16 m – 10 m, 1848 – 1884

Größtes deutsches Denkmal und frühes Beispiel der Verwendung von Beton (120.000 m³) ist das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig (Abbildung 37) [Richter, 34], 1898 – 1913 als Ehr- und Mahnzeichen der Völkerschlacht Oktober 1813 errichtet. Der gewaltige Fundamentkörper (Stampfbetongewölbe, l x b x h = 70 x 80 x 26 m) stützt einen kuppelförmigen Bau, welcher mit Granitporphyr verkleidet wurde. Die bewehrte Kuppel besteht aus Sichtbeton (vgl. Max Berg, Jahrhunderthalle u. a.). Entnommene Bohrkerne zeigen Druckfestigkeiten von 15 – 30 N/mm², einzelne Werte bis 50 N/mm² [34, ebenda].

Abbildung 37: Schnitt durch das Völkerschlachtdenkmal Leipzig

Die figürlichen Darstellungen zahlreicher Denkmale bedienen sich diverser Hilfskonstruktionen und Bekleidungen, weshalb sich aus statischer Sicht eine Höhenbegrenzung bei ca. 30 m einstellt. Bedeutende Skulptur ist der Cristo Redentor (Abbildung 38), Rio de Janeiro, welcher auf einem 30 m hohen konstruktiven Stahlgerüst beruht (zuzügl. 6 m Sockelbauwerk), mit Beton umhüllt und mit Mosaik bekleidet ist. Die Spannweite der Arme beträgt 29 m, das Gesamtgewicht ca. 145 to. [Werner, 35].

Abbildung 38: Cristo Redentor (Christus der Erlöser), 30 m hohe Statue auf dem Corcovado, Rio de Janeiro, 1926 – 31 errichtet von Ing. H. da Silva Costa und dem Bildhauer P. Landowski (vgl. komplementäre Figur in Lissabon); schematischer Schnitt mit Stahlgerüst und Betonbekleidung

Zeichenhafte Türme dienen in der Regel auch als Aussichtstürme. Neben dem Aufzug ist eine notwendige Treppe unverzichtbarer Bestandteil. Lag der Abstand von Notzugangstüren in den Aufzugsschacht bis vor wenigen Jahren bei 15 m, ist der Höhenabstand in Deutschland heute reduziert worden. Dies bedeutet eine zwingende Kombination von Treppe und Aufzug mit Anordnung von Podesten oder Plattformen an der Schachtwand (vgl. Gasometer Oberhausen).

Beispielgebend ist die Anordnung bereits 1938 bei dem Stadionturm des Olympiastadions Helsinki (1940 / 52) gelöst worden (Abbildung 39). die formale Betonung der Treppe steht für einen funktionalistischen Ansatz des Turmentwurfes, welcher seine Gestalt ausschließlich aus seinen funktionalen Elementen (Treppe, Aufzug) bezieht.

Abbildung 39: Stadionin Torni, Helsinki, 1938, massiver Aussichtsturm der Olympiade 1952 (ursprüngl. geplant für 1940) mit Treppe (24 Podeste) und Aufzug, Gesamthöhe ca. 72 m

Moderne Aussichtstürme gewinnen ihre Gestalt aus der Anordnung von Treppe in Kombination mit einem leistungsfähigen Tragwerk. Einer weiteren zeichenhaften Symbolik bedarf es nicht.

Abbildung 40: Aussichtstürme, Zeichen und Skulpturen