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Technische Türme

Technische Türme

Autoren:
Burkhard Pahl

1. Leuchttürme

Abbildung 41: Laternenhaus mit diagonalen Streben, Christiansø bei Bornholm, Dänemark

 

Die Funktion (Leuchtfeuer, Warn- und Signalfunktion), Bauweise und Ästhetik dieser nach 2000 Jahren aussterbenden Gattung technischer Türme hat ihn zum technischen Denkmal schlechthin werden lassen. Bildhaft steht hierfür die Generation ab ca. 1850, mit konisch zulaufendem Schaft und aufgesetztem Laternenhaus. Die Feuerschalen der Antike und des Mittelalters wurden zur besseren Sicherung der Seewege systematisch durch Hochleistungslampen (Waltran, Petroleum, Gas, später elektrisches Licht) mit Reflektoren und Licht lenkenden Glaskörpern (Fresnellinsen ab 1823) größerer Reichweite [Williams, 5, S. 55] ersetzt und mit Kennungen (Art der Lichtdauer, Wiederholung, Lichtfarbe) versehen. Allein die Konstruktion des Laternenhauses (in der Regel sehr schlanke diagonale, verglaste Verstrebungen) ist Ausdruck der technologischen Reife (Abbildung 41).

Herausragend ist die bautechnische Erstellung der Türme entlang der französischen und englischen Atlantikküste (Kéréon, Wolf Rock, Eddystone u. a.) oftmals mehrfach überbaut, mit dem Zwang zur Vorfertigung und der Fähigkeit zur Aufnahme von gewaltigem Wasserdruck. Die Türme der Nachkriegszeit (welche in der Regel Feuerschiffe ersetzten) können hinsichtlich der Gründung mit der Technologie moderner Offshore-Anlagen verglichen werden. Verankerungstiefen von 20 – 40 m wurden erprobt (Großer Vogelsand 39 m, Alte Weser 23 m unter Wasser Abbildung 42), nebst Balastkörper, Tanks und 89% Helikopterplattform. Die typologischen Ansätze – mit Ausnahme der nordamerikanischen Gitter- und Holztürme – lassen sich an den Leuchttürmen an der deutschen Küste gut aufzeigen, darunter Kap Arkona (unter Verantwortung von S. F. Schinkel, Roter Sand und das Seefeuer Wangerooge 1966 – 67 in Stahlbeton errichtet und dem Fernmeldeturm verwandt.

Abbildung 42: Schnitt Leuchtturm ‚Alte Weser‘ mit Brunnengründung (Kegelfundament und Auf-last), konischer Stahlbetonschaft mit integrierten Öltanks (4,80 – 6,80 m Durchmesser), Kopfteil mit 17 m Durchmesser nach Drechsel [3]

Abbildung 43: Leuchttürme

Tabelle 7:Leuchttürme

Ort Baujahr Höhe
01 Pharo, Alexandria 290 – 270 v. Chr. 122m
02 La Coruna ca. 400 n. Chr. 40m
03 Chale Down o.A. 18m
04 Skerryore, Schottland 1844 48m
05 Skerryore Schnitt s.o. s.o.
06 Wolf Rock, England 1870 41m
07 Kereon, Frankreich 1916 41m
08 Adzuigol, Cherson 1911 68m
09 Sand Key, USA 1853 25m
10 Point du Chene, USA 1895 14m
11 Wangerooge Seefeuer, Deutschland 1966 – 1967 64m

Abbildung 44: Leuchttürme an deutschen Küsten nach Fotodokumentation von H. Bauermeister und Nerlich [36], jedoch von Westen nach Osten

Tabelle 8Leuchttürme an deutschen Küsten

01 Leuchtturm Campen 1891 65m
02 Leuchtturm Borkum 1879 60m
03 Alter Leuchtturm Borkum 1576 45m
04 Kleiner Leuchtturm Borkum 1888-89 27m
05 Pilsum 1888-89 11m
06 Norderney 1874 54m
07 Helgoland 1952 35m
08 Wangerooge Westturm 1933-34 56m
09 Wangerooge Seefeuer 1966-67 64m
10 Roter Sand 1885 28m
11 Arngast 1909-10 36m
12 Hohe Weg 1885 36m
13 Alte Weser 1960-63 37m
14 Robbenplate 1923-24 37m
15 Bremerhaven Oberfeuer 1854-55 38m
16 Kaiserschleuse Ostfeuer 1900 15m
17 Neuwerk 1299 -1310 39m
18 Grosser Vogelsand 1973 – 1975 44m
19 Büsum 1912-13 22m
20 Westerheversand 1908 40m
21 Pellworm 1906-07 41m
22 Amrum 1875 42m
23 Hörnum 1907 34m
24 Kampen 1856 62m
25 List Ost 1856-57 22m
26 Bülk 1863-65 25m
27 Schleimünde 1861 14m
28 Falkshöft 1908-09 24m
29 Leuchtturm Kiel 1964-67 34m
30 Friedrichsort 1971 32m
31 Holtenauer Schleuse 1895 20m
32 Flügge 1916 42m
33 Neuland 1915-16 40m
34 Westermarkelsdorf 1881 17m
35 Dameshöved 1880 29m
36 Staberhuk 1904 22m
37 Travermünde 1539 31m
38 Timmendorf 1872 21m
39 Buk 1876-78 21m
40 Warnemünde Seefeuer 1898 31m
41 Darßer Ort 1849 35m
42 Kap Arkona 1902 35m
43 Kap Arkona 1828 21m
44 Dormbusch 1888 26m
45 Greifswalder Oie 1855 39m

 

2. Fernmeldetürme

Die funktionale Sicht auf fernmeldetechnische Türme bedarf der näheren Erläuterung von Veränderungen hinsichtlich der technologischen Anforderungen. Die frühen Masten (Mühlacker, Gleiwitz) und Türme dienten der Übertragung von Radiowellen, militärischer und nachrichtentechnischer Nutzung. Das höchste Bauwerk der Welt ist bis heute ein Mast eben dieser Funktion (KVLY-Mast mit 628 m Höhe). Mit der systematischen Einführung von Richtfunkstrecken nach dem zweiten Weltkrieg zur Übertragung jeglicher Daten war ein dichtes Netz von Türmen erforderlich, welche über Plattformen verfügen mussten zur Aufstellung von Parabol-Antennenkörpern.

Die flächendeckenden Netze sollten eine Redundanz besitzen durch die Möglichkeit der Umschaltung auf andere Richtfunkstrecken (Ausweichen von Gewitterlagen, techn. Ausfall, etc.). Dies war die Geburtsstunde von Typentürmen, welche in großer Zahl bis Enden der 80er Jahre errichtet wurden (Abbildung 45).

Abbildung 45: Schema mit klassischer Antennenbelegung nach Richtzeichnung

Der terrestrische Fernsehempfang (ab 50er Jahre) erforderte zusätzlich Turmstandorte mit flächendeckender Abstrahlung in die Ballungsräume und Großstädte. Der Typus ‚Fernsehturm‘ war geboren und sprachlich mit der Bauform Stahlbetonschaft, hoch liegendes Betriebsgeschoss und aufgesetztem Mast verknüpft (Sinnbild des Stuttgarter Fernsehturms) und löste einen Boom derartiger Türme aus, welche mit Aussichtsplattform und individueller Gestalt zu Wahrzeichen der jeweiligen Städte avancierten. Letztlich diente nur ein kleiner Teil der Signalabstrahlung von Fernsehbildern, weshalb der Begriff ‚Fernsehturm‘ (vgl. Fritz Leonhardt, [37]) zu eng gefasst ist. Satellitentechnik, Kabelfernsehen und Mobilfunk haben die technologischen Voraussetzungen drastisch verändert. Für den Mobilfunk sind Stabantennen (l = ca. 2,00 m) erforderlich, welche nach Betreibern getrennt kleinere Masten (Schleuderbeton-, Gittermasten), Hochhäuser und Kirchtürme belegen.

Obsolet werden Fernmelde- und ‚Fernsehtürme‘ nicht, da auch digitale Daten terrestrisch abgestrahlt werden und die geforderte Empfangsqualität qualifizierte Standorte und Redundanz erfordert.

Das Bewusstsein für die Zeichenhaftigkeit von Fernmeldetürmen hat heute in innerstädtischen Lagen zu einer Individualisierung der Formen geführt, welche über die Sinnhaftigkeit leistungsfähiger Tragwerksformen weit hinausgeht.

Abbildung 46: Übersicht Fernmeldetürme und ausgewählte Masten

 

Tabelle 9:Fernmeldetürme und ausgewählte Masten

01 FMT 1 1952 – 1954 69,2m
02 Kobe 1959 100m
03 Barcelona, Montjuic 1989 – 1992 110m
04 Radioturm, Moskau 1919 – 1922 150m
05 Niagara Falls, (Skylon) 1963 160m
06 Kairo 1971 175m
07 Stockholm, Kaknästornet 1963 177m
08 Mühlacker 1933 – 1934 190m
09 London 1969 210m
10 Fernsehturm Stuttgart 1953 – 1955 217m
11 Space Needle, Seattle 1962 223m
12 Düsseldorf 1982 235m
13 Koblenz 1976 255m
14 Hamburg 1966 272m
15 Torre de Collseola, Barcelona 1988 – 1992 288m
16 Radioturm Moskau (geplant) (1919) (350m)
17 Berlin Ost 1969 365m
18 Moskau – Ostankino 1959 – 1967 537m  (577m)
19 CN – Tower 1974 – 1975 553m

 

Abbildung 47: Schnitt Fernmeldeturm, Großer Feldberg im Taunus, Wiederaufbau auf quadrati-schem Stahlbetonschaft (21,20 m) achteckiges Stahlskelett mit Stahlbetondecken (17,65 m), darüber bekleidetes Holzskelett unter Verzicht auf metallene Verbindungsmittel (30,28 m), 2003 erneuert [Drechsel, 30]

3. Schlote und Kühltürme

Abbildung 48: Abgasschornstein der Bank Side Power Station, London, H = 93 m, heute Tate Modern (Kunstmuseum)

 

Abbildung 49: Messeturm und Abgasschornstein Leipzig, Arch. GMP und Ing. Schlaich und Bergermann

Zu allen Zeiten des Bauens wurden Rauchgase und erwärmte Luft über Kamine, Dachaufsätze (Venturi-Effekt) derart abgeleitet, dass sich eine Thermik ausbildete (Kaminzug), oftmals mit geregelter Zufuhr von Frischluft durch das gesamte Bauwerk.

Im Zuge der Industrialisierung wurden offene Feuerstellen systematisch mit Abzugskaminen (Esse) versehen und zunächst integrierter Bestandteil der Bauwerke (vgl. Sayner-Hütte). Es etablierte sich die Bauart des frei stehenden Kamins, welcher bereits Auskleidungen (Schamottsteine) gegen Hitze besaß. Gemauerte Abgasschornsteine erreichten in den 50er Jahren Bauhöhen bis 120 m, bei einem lichten Durchmesser von ca. 7,0 m am Turmkopf (Kraftwerke Trattendorf III, [Drechsel, 30, S. 323 ff.]).

Die thermischen Belastungen auf solche Bauwerke waren immens. Bei einer herkömmlichen Einleitung der Rauchgaskanäle in ca. 10 – 15 m Höhe betrugen die Temperaturen innerhalb der Auskleidung 130 – 160° C in ca. 50 m Höhe. Darüber hinaus bestand die Gefahr des Austritts von Kondensat.

Industrieschornsteine besitzen heute eine Luftschicht zwischen Abgasrohr (mit offenem Luftein- und -austritt) und tragender Hülle, was zu einem beherrschbaren Temperaturgefälle an der Außenhülle führt. Die unmittelbare Umweltbelastung (SO2-Konzentration) führte zu Bauweisen mit Höhen bis zu ca. 300 m (vgl. Gelsenkirchen-Scholven), welche in Stahl- und Mauerwerk nicht mehr zu erzielen waren. Regelbauart sind hier zylindrische Stahlbetontürme in Gleitschalung, geeignet zur Aufnahme mehrerer Abgasrohre. Der konisch anlaufende Schaft geht in der Regel in Höhe des Eintritts der Rauchgaskanäle in einen zylindrischen Querschnitt (Mantelstärken um die 30 cm) über. Die derzeit größten Stahlbetontürme sind Westernholt-Gelsenkirchen in Deutschland mit 337 m (Baujahr 1997) und Ekibastuz, Kasakhstan, mit 419,70 m Höhe bei 44 m Durchmesser an der Basis und 14,20 m am Turmkopf (Baujahr 1987). Dieser weltweit höchste Abgasschornstein besitzt erst bei ca. 300 m Höhe einen kurzen zylindrischen Querschnitt (Abbildung 50).

Zwei Entwicklungen kennzeichnen moderne Abgasanlagen:

1.   Die Forderung nach Abgasentschwefelungsanlagen hat dem            Streben nach großer Höhe und weiträumiger Verteilung von Schadstoffen zumindest in Europa ein Ende gesetzt.

2.   Niedrige Abgastemperaturen moderner Heizungsanlagen in            gewöhnlichen Industrie- und Gebäudeschornsteinen haben         zu schlankeren Querschnitten geführt und zu gedämmten Systembauweisen in Stahl.

Erneuerungen von Altanlagen führen zu Querschnittsreduzierungen (Innenrohrsysteme), um eine ausreichende Abgastemperatur zu erreichen (Versottungsgefahr) oder werden gänzlich neu erstellt.

Zu den konstruktiv und formal interessantesten Entwürfen kleinerer Abgasschornsteine zählt der Messeturm Leipzig von 1995, welcher Zeichen und Schlot in einer Form vereint (Abbildung 49). Er geht zurück auf die Idee der Stabilisierung eines Rohres mittels außenseitig und parallel geführter Zugverbände (Outrigger-System), welches ursprünglich für standardisierte Fernmeldetürme angedacht war [Holgate, 38].

Vier 75 m hohe Abgasrohre werden von quadratisch angeordneten Stahlrohren gehalten und gegen Horizontallasten durch Ausleger mit vertikaler Seilverspannung stabilisiert.

Zu den leistungsfähigsten turmartigen Bauwerken, welche thermische Prinzipien einsetzen, gehören Kühltürme. Bekannt sind im Zuge der historischen Entwicklung Bauweisen in Holz, Stahl, Stahlbeton und GFK.

Während Kleinst-Bauarten im Industriebereich als geschlossene Systeme (Escher-Wyss u. a.) schlüsselfertig geliefert werden und vielfältige Anwendung finden, dienen größere Kühltürme vornehmlich bei Kraftwerken oder Kokereien der Kühlung von Wasser (Nasskühlung) bzw. Luft (Luftkühlung). Konstruktiv haben sich hyperbolische Stahlbetonschalen mit Bauwerkshöhen bis zu 180 m und geringsten Wandstärken (14 – 16 m) herausgebildet. Ingenieurtechnisch bedürfen sie einer eigenständigen und umfassenden Betrachtung innerhalb der Schalenbauweisen. Drei entwurflich signifikante Kühltürme sollen hier dennoch genannt werden: die stark eingeschnürten Kühltürme der Völklinger Hütte (Saarland), der hyperbolische Kühlturm Berlin-Mariendorf (Dreiecksnetzstruktur) und der Trockenkühlturm Schmehausen von 1974, welcher als Seilnetzkonstruktion einen eigenständigen Lösungsansatz darstellt.

Der höchste Schlot aller Zeiten war als Turm des Aufwindkraftwerkes in Mildura, Australien, mit 1.000 m Höhe und 120 m Durchmesser geplant [Schlaich, 21].

Abbildung 50: Übersicht Schlote und Kühltürme

Tabelle 10:Schlote und Kühltürme

01 Sayner Hütte, Bendorf 1824 – 1830 o.A.
02 Bank Side Power Station, London ca. 1951 – 53 93m
03 Battersea Power Station, London ca. 1932 -1934 o.A.
04 Messeturm Leipzig 1995 75m
05 Schornstein Mauerwerk 50er Jahre 120m
06 Standardkühlturm 140m
07 Kühlturm Schmehausen 1974 180m
08 Gelsenkirchen – Westerholdt 1997 337m
09 Ekibastuz, Kasakhstan 1987 419m

 

4. Behälter, Silos und Wassertürme

Abbildung 51: Henninger Turm, Frankfurt am Main, vermutlich höchstes Silobauwerk in Stahl-betonweise (1959 – 61) (aus [56]), inzwischen abgerissen und ersetzt durch ein Wohnhochhaus

Die Geschichte der Silobauten ist eingangs ausführlich beschrieben worden. In funktionaler Sicht ist von Bedeutung, dass die Ein- und Zwischenlagerung von Getreide, Braugerste etc. bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu kompakten, vertikalen Anordnungen geführt hat und sich die Bauform der Silos somit von den zunächst baugleich verwandten Holzzylindern (vgl. frühe Wassertürme) und sonstigen Einzelbehältnissen in Größe und Bauform abgelöst hat (Abbildung 53, 54).

Hinsichtlich Lastverteilung und Temperaturverhalten ist der Stahlbetonzylinder ideal. In der geometrischen Anordnung mehrerer Silozellen aus Stahlbeton ist der Zylinder als Grundform jedoch von Nachteil. Der Silo des Henninger Turmes in Frankfurt am Main (Abbildung 51) löste dieses Problem durch einen rasterartigen Aufbau (4 x 4 m) mit 18 cm Wandstärke und abgefasten Ecken, welche stützenartige Versteifungen in den Siloecken ausbilden [Höhmann, 39]. Auf dieser Grundkonstruktion lastete auch der Turmaufsatz mit Drehrestaurant nebst integrierter Vertikalerschließung. Da heute derartige Silos für den Brauereibetrieb nicht mehr benötigt werden (Anlieferung von Fertigmaische, veränderte Betriebsstrukturen) stellt sich die Frage möglicher Nachnutzungen. Hier sind die seinerzeit optimierten, schalenartigen Hüllenflächen oftmals von Nachteil, weil sie für Hochhäuser nicht die heute erforderlichen Wandstärken und Betonüberdeckungen besitzen. Diverse Beispiele zeigen, dass ein Aufschneiden der Silozellen (Fenster, Türen etc.) hingegen möglich ist.

Abbildung 52: Übersicht Silobauten

Tabelle 11: Solos

01 Rolandmühle, Bremen 1909, 1929 … 25 – 30m
02 Getreidesilo Bunge y Born, Buenos Aires vor 1913 o.A.
03 Getreidesilo Barby an der Elbe 1922 ca. 27m
04 Getreidesilo und -speicher, Fort Williams vor 1913 o.A.
05 Getreidespeicher, Worms 1908 ca. 25m
06 Peavy – Haglin, Minneapolis 1899 -1900 ca. 38m
07 Silo Henninger Turm, Frankfurt am Main 1959 -1961 ca. 70m

 

Die Entwicklung der Wassertürme ist von weitaus größerer Vielfalt geprägt (Abbildung 54). Ab Mitte des 19. Jahrhunderts begann das eigentliche Zeitalter der Wassertürme. Neben dem Bedarf für Industrie und Stadt wurden insbesondere Wassertürme für die Speisewasserversorgung der Dampflokomotiven benötigt. Die ersten Behälter aus Holz und verschraubten Gusseisenplatten wurden durch zylindrische, genietete Blechkonstruktionen ersetzt, welche auf einen engmaschigen Trägerrost aufgesetzt wurden [Werth, 10]. Um der Frostgefahr entgegen zu wirken, wurden die Bauten umhaust bzw. das Wasser vorgewärmt. 1853 – 55 errichtete Lindley einen für die damalige Zeit beachtlichen zylindrischen Hochbehälter aus Gusseisen mit ca. 2.350 m³, ca. 30 m Durchmesser und 3,04 m Behälterhöhe [S. 341, ebenda 10] auf kreisförmigem Ziegelunterbau. Weitere Flachbodenbehälter in Schmiedeeisen und mit Ziegelunterbauten folgten in zahlreichen Städten. Eine wesentliche konstruktive Innovation stellte die Ausbildung eines Hängebodens in Form einer Kugelkalotte (vgl. Wasserturm Straßburg, 54 m Höhe und 1.050 m³ Inhalt [10, ebenda]) und die Entwicklung von Stützenbodenbehältern (Intze-Patent) dar mit einschnürendem Kegelstumpf und stützender Kugelkalotte. Die wesenstypische Gestalt (Abbildung 39) war gefunden, ein auskragender Behälter auf einem sich verjüngendem Schaft, welcher darüber hinaus Typenbehälter der Eisenbahn wurde (85 Stk. zwischen 1891 – 1902 mit je 500 m³ Fassungsvermögen. [S. 357, ebenda 10]). Im Industriebau wurde ab ca. 1900 der Schritt zur allseitig umschlossenen, kugelförmigen Behälterform vollzogen, nebst üblicher Freistellung auf einem Stahlgerüst.

Nicht minder von Bedeutung war die Entwicklung von Stahlbetonbehältern, welche ab ca. 1870 einsetzte. J. Moniersoll 1868 in Maison-Alfort einen Behälter von 200 m³ [10, ebenda] in bewehrtem Beton erstellt haben. Bekannter ist sein früher Alençon-Wasserturm in Betonbauweise der Eisenbahn mit 180 m³ von 1873. Türme von Hennebiqueu. a. folgten, wobei der 1904 erbaute Wasserturm in Newton-le-Willows, England, auf zukünftige Bauweisen aus tragendem Skelett mit rahmenartigen Knoten verweist. Sämtliche mögliche Behälterformen (einschl. der Intze-Bauweise) wurden in Stahlbeton errichtet. Letztlich war auch der entscheidende Durchbruch in der formalen Verschmelzung von Behälter und Schaft der Schalenbauweise und dem Stahlbeton vorbehalten. Meist auf zylindrischer Gleitschalung (ab 20er Jahre) oder Gleitschaft errichtet entfaltete sich meist ein breiter Kelch mit möglichst geringer Wassertiefe (< 8 m) bei maximalem Volumen (vgl. Wasserturm Örebro (Schweden), Höhe 75 m, mit 9.000 m³, 1957).

Die Entwicklung in den USA erfolgte losgelöst von der europäischen Stahlbetontechnologie vornehmlich in Stahlbauweise mit kugelförmigen und flachen, sphäroiden Körpern.

Abbildung 53: typische Behälterformen nach Werth [10], typologisch ergänzt

Von besonderer ingenieurtechnischer Bedeutung ist der Fedala-Wasserturm, Marokko, Baujahr 1957, von E. Torroja, welcher auf einfachsten Baugerüsten als Schale errichtet wurde (s.o.). Er verbindet die Erfahrungen von Intze, die Forderung nach geringer Wassertiefe (< 8 m) mit moderner Betontechnologie. Das innere, komplexe Bauwerk besticht nach außen durch seine formale Klarheit. Selbst die Eindeckung des Wasserbehälters ist gewölbt (Torus). Hier greift Torrojaauf eine Hohlziegelschalentechnologie (vgl. auch das Werk von E. Dieste) zurück, welche vermutlich das Temperaturgefüge im Behälter verbesserte. Das Fassungsvermögen beträgt 3.500 m³ bei 40 m Durchmesser und 10 – 18 cm Schalendicke [Ordonez, 40].

Aus ingenieurtechnischer Sicht sind die skandinavischen Wassertürme richtungsweisend, welche von einem schlanken Schaft in eine breite Kegelschale übergehen. Wiederum ist es das Hyperboloid, welches für kleinere Wassertürme (Möglingen bei Ludwigsburg, 400 m³ bei 30 m Höhe) Funktion, Tragwerk und Erscheinungsbild zur Deckung bringt.

Abbildung 54: Übersicht Wassertürme

 

Tabelle 12Wassertürme

Ort Baujahr Höhe
01 Zeche Minister, Stein 1899 520 27m
02 Weil am Rhein 1913 500 23m
03 Nizji, Novgorad 1896 114 25,60m
04 Champaign Illinois, USA 19. Jh o.A. ca. 15m
05 Alencon 1873 180 ca. 13m
06 Worms o.A. ca. 400 ca. 18m
07 Intzebehälter 1891 – 1902 400 -500 ca. 20 -25m
08 Lindleyturm, Hamburg 1853 – 1855 2350 ca. 12m
09 Newton de Willow, England 1904 1362 ca. 28m
10 Mannheim 1886 – 1887 2000 60,33m
11 Zeipau 1922 o.A. o.A.
12 Bochum o.A. o.A. o.A.
13 Posen 1911 o.A. o.A.
14 Circle City, New Jersey o.A. o.A. o.A.
15 Köln Kalk o.A. o.A. o.A.
16 Rodange, Luxemburg o.A. o.A. o.A.
17 Toledo, Ohio o.A. o.A. o.A.
18 Kwaadmechelen, Belgien o.A. o.A. o.A.
19 Gary, Indiana ( Hortonbeh.) ab ca. 1930 750 – 12000 o.A.
20 Dole Jura, Frankreich o.A. o.A. o.A.
21 Essen Byfang o.A. o.A. o.A.
22 Miesburg, Hannover o.A. o.A. o.A.
23 St. Jean-de-Vedas, Frankreich o.A. o.A. o.A.
24 Möglingen 1960 400 30m
25 Maizieres-les-Metz, Frankreich o.A. o.A. o.A.
26 Kuwait o.A. 4500 140 – 180
27 Landskrona 1980 4000 ca. 58
28 Örebro, Schweden 1957 9000 75

 

5. Mühlen- und Windkraftanlagen

Abbildung 55: Kappenmühle mit Steert, Friesland, Niederlande

 

Abbildung 56: moderne Windkraftanlage

 

Generell sind Mühlen zu unterscheiden in Wasserwerke und Windwerke, wobei gerade die Windmühlenhinsichtlich ihrer Herkunft (Persien, vorderer Orient und Asien) als Schöpfwerke eingesetzt wurden [Ernst, 41]. Die Bauart einfacher Steinbauten mit Stangenkreuz und Segeltuchbespannung hatte sich ab 1100 in Mitteleuropa eingebürgert (s. Andalusien, Mallorca, Italien, Frankreich).

Ab dem 17. Jahrhundert entstanden vornehmlich in Friesland Windmühlen mit ausgeprägter Technik (Abbildung 55). Es sind zwei grundlegende Bauarten zu unterscheiden: die Bockmühle und die Kappen- (holländische) Mühle [Hage, 42]. Die Bockmühle (z. B. Hallig Hooge von 1719, heute zerstört) basiert auf einem kastenartigen Aufbau, welcher drehbar auf einem Balkenkreuz errichtet wurde. Bei einem Flügeldurchmesser von ca. 14 m und ungünstigem Hebelarm zwischen Flügelachse und Drehlager des Bocks war sie kippgefährdet.

Wesentliche Vorteile besaß die Kappenmühle. Auf gemauertem Sockelgeschoss wurde ein starres Holzgehäuse mit drehbarer Kappe (Prinzip Generatorkopf) angeordnet. Auf einer Galerie (umlaufender Balkon) konnte mittels Steert (Holzverstrebung) die Kappe gedreht und fixiert werden.

Ein Windrosenantrieb an der Kappe ersetzte Ende des 18. Jahrhunderts den Steert. Die Windrosen besaßen bereits Jalousienflügel, welche im angelsächsischen Raum, dem heutigen Commonwealth und den USA, bauartprägende Wassermühlen und Windräder zur Energieerzeugung wurden. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts lösten mechanische Mühlen flächendeckend windbetriebene Getreidemühlen ab und führten zu großen Betriebseinheiten mit angeschlossener Silotechnik (vgl. Roland- und Hasenmühle, Bremen). Die Funktion als Windgenerator zur Stromerzeugung und Wasserförderung sollten sie behalten.

Die leistungsfähigen Jalousienflügelantriebe auf Gittermasten wurden zunehmend durch Rotorblätter (Durchmesser 80 m und mehr) mit drehbarem Generatorkopf ersetzt, welches heute eine Regelbauart in Systembauweise darstellt (Abbildung 56). Darüber hinaus wurden in den 80er Jahren Drehwerke erstellt (z. B. Windparks Kalifornien, USA), welche abgespannt über die gesamte Bauhöhe rotierten. Ein Einflügelsystem (Growian) blieb Forschungsgegenstand und konnte sich nicht durchsetzen (Unwucht, Getriebebelastung). Technologisch bedeutend ist die „offshore“-Aufstellung (Windpark in der Nordsee) sowohl hinsichtlich Gründung als auch Baugröße.

Abbildung 57: Übersicht Mühlen- und Windkraftanlagen

Tabelle 13:Windkraftanlagen

01

Historische Mühlen, Mittelmeerraum

15. Jh.

ca. 8m

02

Bockmühle

um 1719

ca. 11m

03

Holländische Klappenmühle

18. + 19. Jh.

ca. 20m

04

Windrad mit Jalousieflügel

19. + 20. Jh.

23m

05

Windkraftanlage Typ Nordex

o.A.

Rotorblätter 80m

06

Versuchsanlage Eole C

o.A.

ca. 125

 

6. Fördergerüste und Fördertürme

Abbildung 58: einfache Förderprinzipien nach Schönberg [43]

Abbildung 59: Übersicht Bauarten von Fördergerüsten und -türmen nach Schönberg [43] und Buchheit [44]

Schönberg[43] spricht bereits 1971 vom Rationalisierungs- und Stilllegungszwang bei Schachtanlagen und dem damit zu erwartenden Verschwinden der Seilstützkonstruktionen, welche Fördertürme in ihrem Wesen darstellen (Abbildung 59). Diese Bauweisen sind rückblickend unmittelbares Ergebnis aus Funktion und Empirik. Das Prinzip der Haspel (eine Trommel mit Seil umwickelt und jeweils ein Behälter am Seilende) war seit dem Mittelalter erprobte Technologie, der einfache Bock über dem Schacht das Tragprinzip.

Umlenkungen (z. B. über Pferchgöpelanlagen) erlaubten die Übertragung großer Kräfte. Damit war das noch heute gültige Prinzip Fördergerüst mit Umlenkung und seitlich angeordnetem Antrieb gefunden. Die Dampfmaschine (gleichzeitig zur Wasserhaltung eingesetzt) und moderne Stahlseile mit Festigkeiten > 5000 kp/cm² ermöglichten ab ca. 1834 [43, ebenda] qualifizierte Nutzlasten und größere Teufen.

Gestellartige Förderkörbe mit mehreren Etagen und Sortiersieben erforderten eine so genannte Hängebank bis zu ca. 17 m Höhe über der Oberfläche. Darüber hinaus verlangte der manuell gesteuerte Abbremsvorgang eine beachtliche Überfahrt, welche in neueren Bauarten durch Seilauslöseverrichtungen wieder reduziert werden konnte.

Von großer Bedeutung für die Konstruktion waren weiterhin die Aufnahme Schwingungen und von unterschiedlichen Seilkräften, was ein steifes Gerüst und Abstrebungen in Richtung der resultierenden Seilkräfte nahe legte. 

Formal drückt der so genannte ‚englische Bock‘ mit einfacher Vertikale und rückwärtiger Strebe die statischen Randbedingungen präzise aus. Verunklart wurde das klare Bild durch den Anbau von Spurgerüsten für die teils mehrgeschossigen Förderkörbe. 

Deutlich erhöht werden konnte die Förderleistung durch stählerne Doppelstrebengerüste (vgl. Schacht XII, Zeche Zollverein Essen-Katernberg, 1930, Architekten Schuppund Kremer, H = 56 m) mit klarer Gestalt durch Vollwandträger und signifikanter Auskragung der Kranbahnträger zur Auswechslung der Seilscheiben (Abbildung 60).

Der erste Förderturm in Stahlbetontechnologie wurde lt. Schönberg in Camphausen, Saar [43, ebenda, S. 284] von dem Ingenieur Th. Möhrle errichtet. Stahlbetontürme etablierten sich in der Folgezeit vornehmlich in Belgien und Frankreich, während in Deutschland Strebengerüste aus Stahl bestimmend wurden (Bauart der Fa. Klönne von 1903 mit zweiteiligem Strebengerüst und Ausbildung als Dreigelenkrahmen).

Das Kennzeichen von Fördertürmen (gegenüber Fördergerüsten) ist die Anordnung eines umhausten Antriebes direkt über dem Schacht unter Wegfall der Seilumlenkung (Abbildung 59). Die witterungsgeschützte Anordnung des Turmkopfantriebes wurde möglich durch die Entwicklung von Treibscheiben und Elektroantrieb. Das Erscheinungsbild wurde von nun an durch ein geschlossenes Kopfbauwerk bestimmt. 

Moderne Fördertürme erhalten in der Regel eine durchgehende Wandbekleidung und vermitteln nur in geringem Maße durch ihr Erscheinungsbild ihre innere Funktion (vgl. Förderturm Gewerkschaft Sophia-Jacoba, Hückelhofen, 1962 / 63).

Bautechnisch sind sie dennoch von Interesse. Der 75 m hohe Stahlbetonförderturm der Gewerkschaft Sophia-Jacoba steht auf Stahlplatten, welche einen hydraulischen Niveauausgleich erlauben. Das umschließende Tragwerk wurde in Kletterschalung (Stahltafeln) und Sichtbeton mit geordnetem Fugenbild (Raster 53 / 153 cm) erstellt [Drechsel, 30, S. 230].

Abbildung 60: Übersicht Fördergerüste und -türme

 

Tabelle 14Fördertürme

01

Naval Colliery, Tonypandy, Southwales

1902

ca. 23m

02

Zeche Königsborn, Schacht 1,

Unna, Ruhrgebiet

o.A.

ca. 24m

03

Ryhope Colliery, Sunderland, England

o.A.

ca. 35m

04

Hucknall Colliery, Nottingham, England

o.A.

ca. 29m

05

Puits Dutemple, Valenciennes, France

1920

ca. 28m

06

Zeche Robert Müser, Schacht Amalia, Bochum Werne

1904

ca. 57m

07

Bold Colliery, St. Helens, Liverpool, England

o.A.

ca. 48m

08

Zeche Graf Bismarck, Gelsenkirchen, Ruhrgebiet 

1929

ca. 61m

09

Zeche Monopol, Schacht Grimberg 2, Bergkamen

1982

o.A. 

10

Camphausen

1911

38,70m

11

Dortmund

1925 – 1926

52,40m

12

Sophia Jacoba

1962 – 1964

70,69m

 

Mit der weitgehenden Ablösung der Steinkohle durch Erdöl und Erdgas verlagert sich auch die Bauaufgabe der Fördertürme hin zu Gerüsten zur Aufnahme von Bohrgestängen und zu so genannten ‚off shore‘-Anlagen. Die großen Wassertiefen zwingen zu Bauarten, welche neben der Plattform beachtliche Turmbauwerke erfordern (soweit Plattformen nicht dynamisch positioniert werden). Neben der Förderung dienen die ‚off shore‘-Systeme der Einlagerung und dem Transport (Abbildung 61). Die schalenartigen Röhrentragwerke erreichen Bauhöhen bis zu 300 m und gehören zu den höchsten und technologisch anspruchsvollsten Turmbauwerken.

 

Abbildung 61: Offshore Plattformträger (Tragkonstruktion ohne Transfer Deck, Stratford B, mit 173,80 m Schafthöhe, Wandstärken 0,60 – 1,30 m bei 13,20 – 25,20 m Durchmesser, errichtet in Stavanger, Norwegen) nach Gervik [45]

7. Sonderbauten

 

Abbildung 62: Tower Flughafen Leipzig

Weitere turmartige Bauwerke finden sich in zahlreichen technischen Bereichen. Sie sind in den Bauordnungen unter Sonderbauten zusammengefasst. Singuläre Bauaufgaben (Fallturm der Universität Bremen, Aufzugsvorrichtungturm in Rottweil, u.a.), Schlauchtürme und Übungstürme der Feuerwehren zeigen keine gattungsbildenden Merkmale.

Bauten hoher Komplexität (z. B. Hochöfen, Chemieanlagen) sind oftmals Gerüste zur Aufnahme technischer Installationen.

Gasometer sind den Behälterbauten zuzuordnen und ähnlich den frühen Wassertürmen mit Hüllflächen umschlossen. Das teleskopartige oder sonstige Innenleben ist heute in der Regel entfernt. Der Torso steht dann als außergewöhnlicher Ausstellungsraum (Oberhausen, Leipzig) zur Verfügung.

Eine signifikante funktionale Gruppe stellen Überwachungs- und Beobachtungstürme dar. Vom Stellwerk (oftmals als schlankes Bauwerk zwischen Gleisfeldern eingefügt) bis zum turmartigen Schleusenwärterhaus sind auch sie oftmals Historie. Nicht so der Flughafentower (Abbildung 62). Mit hoch liegendem Betriebsgeschoss, Überwachungsraum (Landeanflug, Platzgeschehen), Radar- und Funktechnik ist er dem Fernmeldeturm artverwandt. Die Bauhöhen reichen von geringer Höhe (Kriterium Platzüberblick) bis zu ca. 80 m Höhe.

Abbildung 63: Flughafentower a. Tower Flughafen Nürnberg, ca. 50 m Höhe; b. Tower Flughafen Leipzig-Halle, 73 m Höhe; c. Tower Flughafen Oslo Gardermoen, 80 m Höhe;

Einen Sonderfall turmartiger Bauwerke stellen die Anlauftürme der Sprungsschanzen dar. Sie resultieren aus dem steilen Anlaufwinkel moderner Groß- und Flugschanzen, welche bei einer Gesamtabwicklungslänge der Schanzenanlagen von 300 – 400 m keine topographische Einbettung mehr finden (Abbildung 65). In Einzelfällen (Lathi, Finnland) ist darüber hinaus der Aufsprungbereich oberhalb des theoretischen Landepunktes aufgeständert (Abbildung 66).

Abbildung 64: Gradiente nach Regelwerk der FIS [46] e Anlaufbahn, t Schanzentisch, w nominelle Größe der Schan-ze, k Konstruktionspunkt, a Auslauf, b Breite

 

Abbildung 65: Lathi, Finn-land (Normal-, Groß- und Flugschanze)

Kletterten früher die Springer die Schräge des Anlaufturmes hinauf, ist heute die Anordnung von Aufzügen (Lifte, Kabinenhöhe ca. 2,80 – 3,00 m!), Schanzentechnik (elektrohydraulische Antriebe), Kältetechnik und die Anordnung von Medientechnik und Aufwärmraum am Schanzenkopf entwurfsbestimmend (Abbildungen 66 und 67). 

Abbildung 66: Innsbruck, Österreich, Bergiselschanze nach Umbau 2000 – 2001

 

Abbildung 67: Willingen, Deutschland, derzeit größtes Schanzenbauwerk im Ski-springen (FIS-Weltcup)

Die Bauweise ähnelt Brückenpylonen mit angelegtem Fahrbahntrog unter Vermeidung von nachteiligem Schwingungsverhalten (Abgleich mit der Eigenfrequenz erforderlich) und möglichst unter Verzicht auf Bauwerksfugen im gesamten Anlaufbereich.

Weiteres Entwurfskriterium ist der Einstiegsbereich, welcher seitlich der parallel geführten Anlaufspur gefordert ist. 

Abbildung 68: Erasmusbrücke, Rotterdam, 1990 – 96

In den Darstellungen turmartiger Bauwerke [37] werden oftmals Brückenpylone aufgeführt. Sie sind Wesensbestandteil von Brückenbauwerken. Hinsichtlich der Wahrnehmung und Bedeutung im Gesamtsystem gehen sie über ihre dienende Funktion hinaus und werden in zahlreichen Beispielen zum Gestalt bestimmenden turmartigen Bauwerk (vgl. Betonkalender 2004, Bd. 1). Sie stehen in Schlankheit und Bauhöhe den zuvor gezeigten Turmbauweisen nicht nach.

Sie gewinnen ihre glaubwürdige Gestalt aus der Funktion (Einleitung von Seilkräften, punktuelle Unterstützung etc.). Als stadt- und landschaftsbestimmende Bauwerke neigen auch sie zur Individualisierung (vgl. Fernsehtürme) in der Formensprache und zu zeichenhafter Symbolik (vgl. Erasmusbrücke, Rotterdam, Abbildung 68); neue Kanalbrücke, Utrecht u. a.). Dadurch verlieren sie etwas von der archaischen Kraft und Darstellung der inneren Logik (vgl. Ganterbücke, Simplonpass von Chr. Menn), die leistungsfähigen, turmartigen Tragsystemen innewohnen sollte.