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Die Beteiligten („Stakeholder“)

Autoren:
Kornelius Götz
Norbert Tempel

Es ist wichtig, sich frühzeitig über die Projekt-Beteiligten1 klar zu werden und diese zum jeweils geeigneten Zeitpunkt mit in den Planungsprozess einzubeziehen. Typischerweise gibt es bei der Erhaltung und Umnutzung großer Industrieanlage/-denkmale zumindest folgende Beteiligte mit ihren jeweils spezifischen Aufgaben und Interessenlagen:
  1. Alteigentümer, in der Regel der ehemalige Betreiber der Industrieanlage, oder ein „Grundstücksfonds“ o.ä.;
  2. Der oder die künftigen Eigentümer und/oder Nutzer, ggf. auch eine „Entwicklungsgesellschaft“;
  3. Bauaufsichtsbehörde u.a. Planungs-, Aufsichts- und Genehmigungsbehörden;
  4. Denkmalbehörde(n);
  5. Planer und Gestalter;
  6. Fachplaner und Gutachter, je nach Aufgabenstellung z.B. Elektro, Heizung/Klima/Lüftung/Sanitär, Brandschutz, Statik, Schadstoff-Untersuchung usw.;
  7. Beauftragte Firmen (z.B. Gewerke Dach, Mauerwerk/Betonarbeiten, Stahlbau, Korrosions-Schutz, Altlasten-Dekontamination usw.), auch Arbeitsschutz (SiGeKo), ggf. auch Restauratoren;
  8. Kommunale Politik und Verwaltung;
  9. Fördermittelgeber und Sponsoren;
  10. Medien;
  11. Öffentlichkeit, auch ehem. Beschäftigte;
  12. Grundstückseigentümer und –Nutzer im Umfeld;
Die jeweils spezifischen Aufgaben und Interessenslagen der hier aufgelisteten Beteiligten können in Kurzform wie folgt umrissen werden:
Alteigentümer
Alteigentümer, in der Regel der ehemalige Betreiber der Industrieanlage, oder ein „Grundstücksfonds“ o.ä.
Das Verhältnis zwischen Alteigentümer und Nachfolger(n) ist häufig geprägt durch das Ringen um Vertragsgestaltungen (Kauf, Nutzung), Zugangsmöglichkeiten, insbesondere solange eine Anlage unter Bergrecht steht.
Alteigentümer sind in der Regel daran interessiert, die Anlage mit finanziell geringstmöglichen Aufwand „verkaufs- bzw. übergabefähig“ herzurichten. Das kann im Zuge von Dekontaminationsmaßnahmen entweder denkmalschädlich sein (wg. Demontagen) oder zur lediglich temporären, nicht nachhaltigen Sicherung und Stabilisierung führen. Daher sollten früh Experten des Nachnutzers eingebunden werden, deren rechtliche Position ist allerdings schwach.
Der oder die künftigen Eigentümer und/oder Nutzer
Der oder die künftigen Eigentümer und/oder Nutzer, ggf. auch eine „Entwicklungsgesellschaft“, div. Mischformen sind denkbar (z.B. kann ein Grundstücksfonds gleichzeitig Projektentwickler, Investor und tw. Nachnutzer sein).
Idealtypisch gibt es lediglich einen Verfügungsberechtigten (VB) im Laufe des gesamten Projektes, typischerweise geht aber die Verfügungsberechtigung im Zuge des Prozesses nur schleichend und ggf. abschnittsweise auf den neuen Verfügungsbrechtigten über. Idealerweise sollte beim Verfügungsberechtigten (in der Regel eine juristische Person) die Rolle eines „Koordinators“ besetzt sein.
Künftige Nutzer / Mieter bzw. spätere Eigentümer mit ihren kommerziellen Nutzungsinteressen tendieren gelegentlich zu Forderungen, die eine „Übernutzung“ eines Denkmals darstellen und nur durch unverträgliche Eingriffe zu realisieren wären.
Ggf. werden Teilflächen des Industrieareals öffentlicher Nutzung zugeschlagen (Nutzung als Verkehrsflächen, Parkplätze, Grünanlagen usw.), was zu Konflikten für die Integrität des Denkmals führen kann.
Gibt es mehrere „Folgenutzer“ auf dem Industrieareal, muß ein geregelter Kommunikationsprozeß im Sinne eines permanenten Interessensausgleichs installiert werden.
Bauaufsichtsbehörde
Bauaufsichtsbehörde u.a. Stadtplanungs-, Aufsichts- und Genehmigungsbehörden.
Neben der kommunalen Bauaufsichtbehörde, die im Baugenehmigungsverfahren federführend2 ist, können eine Reihe weiterer Aufsichts- und Genehmigungsbehörden zu beteiligen sein, so z.B. die Bergbehörde bei ehemaligen Bergwerksanlagen im Zuge des Abschlußbetriebsplan-Verfahrens, die unteren Behörde mit Zuständigkeiten für Wasser, Natur- und Umweltschutz, die Ämter für Immissionsschutz und Arbeitsschutz, während der Bauausführung auch Unfallkassen und Berufsgenossenschaften. Beim Thema Brandschutz muss die Feuerwehr mit in Genehmigungsverfahren eingebunden werden.
Denkmalbehörde(n)
Den Denkmalbehörden3 kommt bei großflächigen Industriedenkmalen besondere Bedeutung zu, daher hier die gesonderte Erwähnung.
Sonderfall4 sind Liegenschaften im mittelbaren oder unmittelbaren Landesbesitz, für die die Denkmalpflege direkt beim Regierungspräsidium (RP) zuständig ist, jedoch nur punktuell über eigene Denkmal-Fachleute verfügt, so z.B. beim RP Düsseldorf, zuständig u.a. für das Weltkulturerbe Zeche Zollverein.
Auch die Bodendenkmalpflege ist ggf. zu beteiligen. Allerdings interessiert sie sich – von Ausnahmen wie dem ehem. Krupp-Areal in Essen abgesehen – kaum für die umfangreichen Reste ehem. Industrieanlagen des 19. und 20. Jahrhunderts im Boden und ist bislang in dieser Richtung kaum tätig, wohl auch aus Kapazitätsgründen.
In diese Kategorie sind bei Welterbestätten ggf. auch die UNESCO und von ihr beauftragte Institutionen (insbes. ICOMOS mit ihren Monitoren) zu zählen, die jedoch keine hoheitlichen Aufnahmen wahrnehmen.
Planer und Gestalter
Als Planer und Gestalter werden vom Verfügungsberechtigten zumeist Architektur- und Ingenieurbüros5 beauftragt. In seltenen Fällen neigen Architekten dazu, originale Bausubstanz schlichter Industriebauwerke durch „gute Architektur“ in ihrem Sinne zu verändern.
Wenn Architekten und Bauingenieure über keinerlei oder allenfalls geringe Erfahrung im Umgang mit den maschinellen Bestandteilen der Industrieanlagen verfügen, sollen sie hierfür frühzeitig Experten für Maschinenbau, Technikgeschichte, Restaurierung einbeziehen.
Fachplaner und Gutachter
Fachplaner und Gutachter, je nach konkreter Aufgabenstellung z.B. für die Themen Elektro, Heizung/Klima/Lüftung/Sanitär, Kanalisation, Brandschutz, Statik, Schadstoff-Untersuchungen, Außenanlagen.
Gutachter, z.B. bei der Ermittlung von Schadstoffen am und im Bauwerk, müssen besonders sensibel für schonende Verfahren für denkmalwerte Substanz sein.
Alle Planungen und Empfehlungen sollten zunächst als Vorschläge verstanden werden, die vom Verfügungsberechtigten und Denkmalpflege zu bewerten, gemeinsam zu diskutieren und zu entscheiden sind.
Beauftragte Firmen
Beauftragte Firmen (Gewerke Dach, Maurer/Beton, Stahlbau, Korrosions-Schutz, Altlasten-Dekontamination usw.) und ihre Lieferanten, Arbeitsschutz (SiGeKo), Restauratoren.
Kommunale Politik und Verwaltung
Kommunale Politik und Verwaltung, im Rahmen von Planungs-, Genehmigungs- und Zulassungsverfahren beteiligt6, hat eigene Interessen an der zukünftigen Nutzung: sie ist ggf. Träger einer gesamten Anlage oder von Teilflächen; die unterschiedlichen Interessenslagen der (politischen) Parteien spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Fördermittelgeber und Sponsoren
Fördermittelgeber7 und Sponsoren erwaten, dass ihre maßgebliche Beteiligung nicht nur auf einem Bauschild, sondern auch in der Kommunikation mit den Medien, in Reden usw. gebührend erwähnt wird.
Medien
Das Bild eines Projektes in den Medien kann entscheidend für die Entwicklung und den Erfolg eines Projektes sein. Eine geregelte Kommunikation ist deshalb eminent wichtig!
Auch lokale „Werbeblättchen“ und Veranstaltungskalender sind zu beachten – häufig bilden sie die einzige Informationsquelle für die Öffentlichkeit, die keine Tageszeitung bezieht.
Öffentlichkeit, auch ehem. Beschäftigte
Die Öffentlichkeit, insbes. auf lokaler und regionaler Ebene, gesellschaftliche Gruppierungen (Gewerkschaften, Vereine),
ehemalige Beschäftigte u.a. engagieren sich in Form von Fördervereinen oder anders organisierten Gruppen für den Erhalt „ihres Betriebes“ oder bestimmter Teilaspekte. Sie können wertvolles Know-how, ihre Kontakte und Erfahrungen in die Projektarbeit einbringen. Üblicherweise besteht Interesse an geeigneten Räumlichkeiten (Räume für Treffen, Werkstätten). Manchmal werden auch Restaurierungsprojekte „in eigener Regie“ angestrebt, die bei intensiver Betreuung und klar definierten Zielvorgaben und Vorgehensweisen durchaus erfolgreich sein können.
Grundstückseigentümer und –Nutzer im Umfeld
Benachbarte Grundstückseigentümer und Nutzer sind in allen Phasen eines Projektes als wichtige Beteiligte anzusehen. Zumindest der „gefühlte Wert“ ihrer Immobilie / ihres Geschäftes entwickelt sich mit dem Fortgang – bzw. Nicht-Fortgang – des Projektes. Dazu kommen Belästigungen und Beeinträchtigungen durch Baustellenverkehr und Bauarbeiten, später durch Besucher und Aktivitäten auf dem Gelände, insbes. bei Großveranstaltungen.
Frühphase eines Projektes
Besondere Aufmerksamkeit erfordert die Frühphase eines Projektes, die zeitlich häufig noch vor dem formalen Übergang auf einen neuen Verfügungsberechtigten stattfindet, weil die noch-nicht-Eigentümer formal nicht beteiligt sind. In dieser Phase werden wichtige Entscheidungen getroffen, z.B. zu: Änderungen von Bebauungs- und Flächennutzungsplänen (Um- bzw. Entwidmungen), Ausführung von Abschlußbetriebsplanverfahren nach Bergrecht (Dekontamination). Es empfiehlt sich in dieser Phase in ständigem Kontakt mit den Akteuren, insbesondere der kommunalen Politik und Verwaltung zu bleiben. Örtliche Tagespresse und das Geschehen auf dem Areal permanent beobachten!

1. im englischsprachigen Bereich wurde dafür der Begriff „stakeholder“ geprägt.

2. In Einzelfällen, z.B. auf Flächen des Landes in Nordrhein-Westfalen, gibt es sog. Zustimmungsverfahren: das Regierungspräsidium führt das Verfahren durch und beteiligt kommunale Ämter.

3. In Nordrhein-Westfalen existiert eine besondere Gliederung: Ministerium, Landeskonservator bei den Landschaftsverbänden, kommunale Denkmalbehörden.
4. Details siehe: Ollenik, W., Heimeshoff J.A.E.(2005): Denkmalschutz und Denkmalpflege in der kommunalen Praxis. Grundlagen – Verfahren – Perspektiven. Berlin, S. 108.
5. Wichtig ist eine klar definierte Beauftragung nachweislich mit der Materie vertrauter Experten im Rahmen eines definierten Budgets.
6. Praktische Aspekte: Ggf. müssen benachbarte (öffentliche) Flächen für Verkehrsflächen und Parkplätze in Anspruch genommen werden, Wegverläufe oder Verkehrsregelungen geändert, Hinweisschilder im weiteren Umfeld zugelassen und aufgestellt werden.
7. bei Projekten in Nordrhein-Westfalen meist die Landesregierung (Ministerium für Städtebau, Bau und Verkehr, via Regierungspräsidien) ggf. auch die EU.