Zum Umgang mit Gefahrstoffen im Industriedenkmal
Erkundung und Behandlung
Autoren:
Norbert Tempel

Gefahrstoffsanierung („Dekontamination“) der Trockengasreinigungen in der Völklingen Hütte, 2015 Bildurheberrechte: Norbert Tempel
- Primäre Belastungen aufgrund der Verwendung von Beginn an schadstoffhaltiger Baustoffe3
- Sekundäre Belastungen durch nutzungsbedingte Kontaminationen, die durch den Umgang mit Gefahrstoffen in die Bausubstanz der Industrieanlage gelangt sind4 oder noch in den Maschinen und Anlagen vorhanden sind:
- Durch den eigentlichen „normalen“ Produktionsprozeß (mit den vor- und nachgeordneten Prozessen wie z.B. Verbrennung zwecks Wärme- oder Dampferzeugung, sowie Abfallbeseitigung und Deponierung)5 entstandene Belastungen
- Als Bestandteil maschineller und elektrotechnischer Einrichtungen bzw. als Betriebsstoff (z.B. Schmieröl)6
- Durch unsachgemäßes Lagern und Umfüllen von Gefahrstoffen sowie als Folge von Leckagen, Havarien und Kriegsschäden.
- Kontaminationen aus dem Gebäudeunterhalt (Reinigung, Desinfektion, Schädlingsbekämpfung)
- Biologisch bedingte Gefährdungen als Folge von Bauschäden und Verwahrlosung: z.B. Schimmelbildung oder Taubenkot (siehe Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe und Gefahrstoffe – Sensibilisierende Stoffe für die Atemwege – TRBA/TRGS 406, dort im Anhang auch eine ausführliche Liste relevanter Stoffe, Download des Volltextes siehe unten am Ende dieses Beitrags „Andere Dateien“), ein bislang vielfach unterschätztes Gefährdungspotenzial!
- Sonstige Gefährdungspotentiale, wie z.B. Ausgasungen von Methangas aus alten Kohlegruben, die nicht nur klimaschädlich sind, sondern vor allen im Umkreis ehem. Schächte auch viele Jahre nach Stillegung der Bergwerke noch eine Explosionsgefahr darstellen.7
- Im Zuge von Sanierungsmaßnahmen eingesetzte oder entstehende Gefahrstoffe werden in der einschlägigen Literatur (siehe Literaturliste) ausführlich behandelt. Nur am Rande sei erwähnt, dass dazu neben Lösemitteln, Säuren und Laugen sowie Kunstharzen auch vermeintlich harmlose Stoffe wie Zement (weil chromathaltig) oder Schweißrauch zählen.
- Technische Erkundung und Dokumentation der vorhandenen Anlage – z.B. einer Maschinenhalle – mit allen Standorten noch vorhandener bzw. demontierter Maschinen, Fundamenten, Schaltanlagen usw. Aufspüren von Verschmutzungen anhand von Flecken, Verfärbungen, Anhaftungen, Gerüchen usw.
- Historische Erkundung bezüglichen des früheren Betriebs, der angewandten Produktionsmethoden, verwendeter Betriebsstoffe und Hilfsmittel sowie typischer Emissionen. Eine zielgerichtete Aufspürung, Untersuchung und Beprobung setzt eine intensive Kenntnis des jeweiligen Produktionsprozesses voraus. Es gibt typische Bauteile von Anlagen und Maschinen, bei denen Verdacht auf Kontamination mit gefährlichen Substanzen besteht.
- Sanierungsuntersuchung, d.h. Beprobung und Untersuchung der Verdachtsfälle, Beurteilung durch Experten, Bewertung durch den Auftraggeber, Schlussfolgerung. Können nicht alle Gefahrstoffquellen detailliert ausgemacht werden, bietet sich z.B. die Durchführung einer Raumluftmessung an.
- Sanierungsplanung, -ausführung und –überwachung. Die Entfernung bzw. Stabilisierung von Gefahrstoffen ist systematisch vom Arbeitsverfahren und Schutzvorkehrungen gem. TRGS 524 über die Zwischenlagerung bis zu Transport und Verwertung bzw. Deponierung zu planen und in der Ausführung zu überwachen. Kosten- und Zeitmanagement sind unerläßlich. Die Entfernung unter Minimierung von Umweltbeeinträchtigungen und Beachtung aller Regelungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes kann mitunter recht aufwendig werden. Während der Arbeiten sind ggf. Schutzmaßnahmen für die „Exponate“ zu ergreifen.
- Sonderfall Stabilisierung. In einigen Fällen kann eine Stabilisierung der Stoffe „in situ“ in Frage kommen, insbesondere wenn wichtige Teile des Denkmals sonst verloren gehen würden. Auch aus ökonomischen Gründen wird der Verbleib und die Stabilisierung von Altlasten mittlerweile praktiziert, wenn eine vollständige Entsorgung technisch nicht möglich wäre oder unverhältnismäßig teuer würde. Spezielle Schutzmaßnahmen müssen dann den Eintrag von Schadstoffen ins Grundwasser verhindern.
- „Der Schutz Dritter, also der Allgemeinheit, vor den durch den Betrieb verursachten Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter muss auch nach der Einstellung des Betriebes sichergestellt sein.“
- „Die Wiedernutzbarmachung der vom einzustellenden Betrieb in Anspruch genommenen Tagesoberfläche muss sichergestellt sein.“
1. Als Altlast im Sinne des Bundesbodenschutzgesetzes gelten nachgewiesene gesundheitsgefährdende oder umweltschädliche Kontaminationen von Boden oder Grundwasser, ist der Nachweis noch nicht erbracht, handelt es sich um eine Altlastenverdachtsfläche.
2. Laut einschlägiger Gesetzgebung zur Abfallbeseitigung sind Abbruchmassen stofflich zu trennen und je nach Kontamination getrennt zu verwerten bzw. deponieren. Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz – KrW-/AbfG) von 1994, zuletzt geändert 2010
3. Allgemein bautypische Stoffe, wie z.B. Holzschutzmittel oder belastete Anstriche, wie sie auch in Wohnungs- oder Verwaltungsbauten anzutreffen sind, werden hier nicht behandelt.
4. Hier liegt die Schnittstelle zur Altlastenbearbeitung, die sich mit den Auswirkungen von Gefahrstoffen vor allem auf den Untergrund befasst. Kontaminierte Gebäude sind jedoch gemäß Definition des deutschen Bundes-Bodenschutz-Gesetzes keine Altlasten.
5. Typische branchenspezifische Stoffe sind u.a. in der BayBodSchVwV, Anhang 2, aufgelistet
6. Flüssige Betriebsstoffe und Hilfsmittel sind – unabhängig vom Schadstoffgehalt – grundsätzlich abzulassen und aufzufangen bzw. abzusaugen, anhaftende Reste möglichst zu entfernen. Kann dies nicht sofort oder nicht vollständig geleistet werden, sollte sicherheitshalber die Installation von Auffangwannen in Betracht gezogen werden. Fachfirmen bieten entsprechende Dienstleistungen an, wie z.B. die Reinigung von Tanks oder von Transformatoren, die mit PCB-haltigen Ölen gefüllt waren, sowie von kontaminierten Fußböden und Maschinenfundamenten.
7. Inzwischen wird „Minegas“ in alten Bergbaurevieren wie dem Ruhrgebiet gezielt gesammelt und abgesaugt, um klimafreundlich in Strom und Wärme umgewandelt zu werden.
8. Gefahrstoff-Verordnung GefStoffV
Andere Dateien:
Technische Regel für Biologische Arbeitsstoffe / Technische Regel für Gefahrstoffe 406
Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung – GefStoffV)
Unterscheidung asbesthaltiger // asbestfreier Faserzement